Der unheimliche Kommissar Morry
Haben Sie sich in Ihrem Leben bisher immer daran gehalten? Fühlen Sie die innere Berechtigung, anderen diesbezügliche Vorhaltungen zu machen?"
„Ich fühle nur, daß Sie entschieden zu weit gehen! Ich habe keine Lust, mich in die Hände eines Erpressers zu begeben, dessen Geldgier keine Grenzen kennt!"
„Warum die plötzliche Aufregung? Ich dachte, alles sei abgesprochen? Fünfzigtausend Pfund in bar! Keinen Penny mehr oder weniger. Das ist doch ein Deal?"
„Welche Sicherheit bieten Sie mir, daß das Negativ und die Abzüge vernichtet werden?"
„Keine", spottete der Fremde. „Es kann nicht schaden, wenn Sie sich auch weiterhin den Kopf zerbrechen, was aus mir und dem belastenden Material geworden sein mag. Aber Sie können sich beruhigen. Ich habe nicht vor, Sie nach Zahlung des abgemachten Betrages noch ein weiteres Mal zu belästigen."
„Das behauptet jeder Erpresser!"
„Ah, wirklich? Sie scheinen sich in der Materie auszukennen!"
„Unsinn. Das liest man doch jeden Tag in der Zeitung."
„Hören Sie, Cabott. Ich bin nicht irgendein kleiner, schmieriger Gauner. Ich bin ein Meister meines Faches. Sie können mich nicht täuschen. Ich durchschaue Sie und Ihre kleinen simplen Tricks ganz genau. Zum Beispiel der Koffer in der Garderobe... er ist nichts anderes als ein improvisierter Sarg, nicht wahr? Sie haben es verdient, daß ich Ihnen dafür das Fell über die Ohren ziehe. Aber ich will nur Ihr Geld. Noch eins. Wenn Sie sich das nächste Mal eine Pistole einstecken, dann achten Sie darauf, daß sich die Waffe nicht unter dem Stoff der Jackettasche abzeichnet. Ich habe Augen, denen nichts entgeht, mein Freund."
„Sie arbeiten allein, nicht wahr?"
„Ich habe keine Lust, Fragen zu beantworten, die sich auf meine Arbeitsmethoden beziehen."
„Was wissen Sie eigentlich von mir?"
„Oh, eine ganze Menge, mein Lieber. Genug, um Sie fest in der Hand zu haben."
„Das meine ich nicht. Sie haben gewisse Informationen über mich und meine Vergangenheit gesammelt. Sie wissen zum Beispiel, daß ich Zahlmeister bei der Navy war. Sie kennen sich im Inneren meines Hauses aus und Sie vermochten genaue Angaben über die Höhe meines Bankkontos zu machen. Woher stammen diese Kenntnisse?"
„Ist das so wichtig? Es kommt mir nun mal darauf an, daß jede Aufgabe mit der größtmöglichen Umsicht vorbereitet wird. Ich pflege erst dann zuzuschlagen, wenn ich auch das kleinste Detail in Erfahrung gebracht habe. Die Vorarbeiten sind meistens recht kostspielig und mühsam, aber ich glaube behaupten zu können, daß sie sich in fast jedem Fall lohnen."
Ashton holte tief Luft. „Haben Sie schon einmal den Gedanken erwogen, mit einem Kompagnon zu arbeiten?"
„Warum sollte ich?" fragte der Fremde amüsiert. „Das habe ich nicht nötig! Ich gehöre zu den Leuten, die nur ungern teilen. Deshalb ziehe ich es vor, auf eigene Faust zu arbeiten."
Ashton Cabott jubilierte innerlich. Jetzt hatte sich der neunmalkluge Meister endlich verraten! Er war also tatsächlich ein Einzelgänger; sein Tod würde kaum irgendwelche Konflikte auslösen. Aber schon die nächsten Worte des Unbekannten ließen Ashton Cabotts Hoffnungen jäh in sich zusammensinken.
„Das bedeutet keineswegs, daß ich mich schutzlos dem Haß meiner Gegner preisgebe. Nehmen wir als ein Beispiel das Negativ des Fotos, das Sie in dem Hotelzimmer des Bariton zeigt. Es befindet sich in einem versiegelten Umschlag bei meinem Notar. Sollte lieh eines gewaltsamen Todes sterben, wird das Bild mitsamt einer Kopie des dazugehörigen Textes an die Associated Press gehen."
„Das ist unfair!" stieß Ashton erbittert hervor. „Ein Mann wie Sie hat tausend Feinde! Was ist, wenn einer dieser Leute Sie einfach über den Haufen schießt? Dann müßte ich darunter leiden, obwohl ich mit dem Mord nicht das geringste zu schaffen hätte!"
„Wirklich?" fragte der Fremde mit leisem Spott. „Aber Sie wollen doch meinen Tod, nicht wahr? Der alte Koffer im Flur und die Pistole in Ihrer Tasche beweisen das zur Genüge. Wenn Sie also durch einen dummen Zufall und durch meinen von anderer Seite inszenierten Mord ins Unglück schlittern sollten, so können Sie sich dafür bei den eigenen lauteren Absichten bedanken..."
„Das ist doch kompletter Unsinn! Wenn es in meiner Absicht gelegen hätte, Ihnen zu Leibe zu rücken, hätte ich mich im Garten verborgen gehalten und bei Ihrer Ankunft auf Sie geschossen. Ich kann mir schmeicheln, ein äußerst zielgenauer Schütze zu
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