Der unheimliche Kommissar Morry
ein Irrtum sein, mein Herr..."
„So?"
„Das ist nicht Ihre Visitenkarte. Sie haben das Kärtchen offensichtlich verwechselt. Diese Karte hier ist von der Art..."
„... wie sie Sir Macolm verwendet, nicht wahr?" fragte Ashton lächelnd.
„In der Tat — nur gibt der gnädige Herr nie eine Visitenkarte aus, die nicht seine Unterschrift trägt."
„Es handelt sich um einen kleinen Scherz", sagte Ashton. „Bitte bringen Sie ihm das Kärtchen. Er wird sofort wissen, worum es sich handelt."
„Tut mir leid, Sir — aber der gnädige Herr ist nicht im Hause. Er ist nach Brighton gefahren."
„Wann erwarten Sie ihn zurück?"
„Er hat keinen Termin genannt, Sir."
„Wissen Sie, wo er sich in Brighton aufhält?"
„Bedaure Sir, darüber bin ich nicht informiert. Wünschen Sie eine Nachricht für Sir Macolm zu hinterlassen?"
„Nein", erwiderte Ashton und nahm das zerknüllte Kärtchen wieder an sich. „Danke. Ich komme wahrscheinlich heute Abend oder morgen früh nochmals vorbei. Noch eine Frage. Welchen Anzug trägt Sir Macolm?"
„Den dunkelblauen mit den Nadelstreifen, Sir."
Ashton grinste düster. „Das dachte ich mir!"
Nach dem Mittagessen fuhr Ashton nach Hause. Er befand sich in einer sehr aufgeräumten Stimmung. Für ihn gab es nicht den geringsten Zweifel, daß er durch einen kaum glaublichen Zufall dem .Unheimlichen' auf die Spur gekommen war.
Sir Macolm war der von ihm gesuchte Erpresser und Schmuckräuber. Jetzt, wo diese Tatsache nur der letzten Erhärtung durch eine Überprüfung der Stimme bedurfte, war es Zeit, sich Gedanken über die Fortführung der Aktion zu machen.
Es würde klug und reizvoll sein, den Spieß einfach umzukehren und Sir Macolm nicht nur um den Schmuck der Brittons, sondern auch um sein Vermögen zu bringen.
Es war zu erwägen, ob er, Ashton Cabott, den Damen dann den Schmuck zurückgeben würde, gleichsam als sichersten Unterpfand für die geplante Ehe mit Constance.
Ashton hielt sich während des Nachmittags zu Hause auf, obwohl es ihn drängte, Constance zu besuchen. Er sonnte sich in dem Hochgefühl, alle Fäden wieder fest in der Hand zu halten. Insbesondere freute es ihn, endlich an dem Unheimlichen Vergeltung üben zu können.
Es war klar, daß er dabei äußerst um und vorsichtig auftreten mußte. Sir Macolms Butler würde seinem Herrn von dem seltsamen Besucher berichten, und nach ein paar diesbezüglichen Fragen mußte es dem Museumsdirektor aufgehen, welche Wende sich in den Ereignissen angebahnt hatte. Ohne Zweifel würde Sir Macolm sofort dazu übergehen, das Heft wieder in seine Hände zu bekommen. Dieser Gedanke war es, der Ashton aufspringen ließ.
Er schob die Whiskyflasche und das halbvolle Glas beiseite, die vor ihm auf dem Schreibtisch standen. Wie viele Gläser hatte er geleert? Drei oder vier? Lieber Himmel, welcher Leichtsinn. Jetzt kam es darauf an, einen klaren Kopf zu behalten. Vielleicht befand sich Sir Macolm schon auf dem Weg, um den gefährlichen Widersacher zu töten, möglicherweise war er sogar in diesem Moment dabei, in die Wohnung einzudringen. Ashton lauschte mit klopfendem Herzen. Im Haus war es fast unnatürlich still.
Wie kam es, daß Harvey noch nicht wieder zurück war? Ashton drückte auf die Klingel. Nichts rührte sich. Alles blieb ruhig. Nervös fuhr er in die Jackettasche. Als er den soliden Griff der Pistole zwischen den Fingern spürte, entspannte er sich ein wenig.
Unsinn. Sir Macolm würde es nicht wagen, bis zum Äußersten zu gehen. Er war zu klug, um sich durch einen Mord zu belasten. Aber war ein Mord für ihn nicht die einzige Möglichkeit, die Situation in letzter Sekunde zu retten?
Ashton hob den Telefonhörer ab und wählte Sir Macolms Nummer. Der Butler meldete sich. Nein, der gnädige Herr sei nicht zu sprechen. Er käme erst gegen Abend aus Brighton zurück. Erleichtert legte Ashton auf. Er verließ das Haus, holte den Wagen aus der Garage und fuhr los. Vor Sir Macolms Grundstück parkte er am Bürgersteig, ohne den Wagen zu verlassen. Er steckte sich eine Zigarette in Brand und stellte das Radio an. Dann lehnte er sich zurück und wartete.
Jetzt konnte nichts mehr schiefgehen. Sobald Sir Macolm auftauchte, würde er ihn zur Rede stellen und das weitere Geschehen diktieren. Zunächst würde es genügen, dem Unheimlichen', der längst nicht mehr unheimlich war, den Schmuck der Brittons und den Koffer mit dem Bargeld abzunehmen. Alles weitere würde sich finden.
Ashton lachte sich ins Fäustchen, als
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