Der unheimliche Kommissar Morry
Wandsafe. Dann füllte er sich ein Glas mit Eis und Whisky und nahm Platz. Er hatte einen faden Geschmack im Mund, den auch der Whisky nicht zu beseitigen vermochte, und er dachte voller Furcht und Unbehagen an den Fremden, dem er auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war.
Als das Telefon schrillte, stolperte Ashton so überhastet an den Apparat, daß er sich den Inhalt des Whiskyglases über die Hosen schüttete. Er riß den Hörer ans Ohr und meldete sich.
Am anderen Ende der Leitung blieb alles ruhig.
„Hallo!" rief Ashton. „Hallo..."
„Schicken Sie den Butler weg!" befahl die metallische Stimme des Unbekannten nach kurzer Pause. „Schicken Sie ihn weg und vergessen Sie keine Sekunde, daß Ihr Haus überwacht wird!"
Bluff, dachte Ashton. Trotzdem verspürte er ein Gefühl der Erleichterung. Die Fotos waren also noch nicht an die Presse gegangen; der .Unheimliche' hatte es lediglich für gut befunden, ihn gründlich zu prüfen.
„In Ordnung", sagte Ashton. „Aber..."
Es klickte. Das Gespräch war unterbrochen. Ashton legte den Hörer auf die Gabel zurück und klingelte nach Harvey. Er trug ihm eine Besorgung auf, die den Butler für mindestens zwei Stunden dem Haus fernhalten würde.
Wenige Minuten später hörte er, wie Harvey das Gebäude verließ. Ashton befand sich in einem Zustand untergründiger Erregung. Er war jetzt überzeugt, daß der Unheimliche zu ihm kommen würde, um das Geld abzuholen. Er glaubte auch zu wissen, daß man ihn mit dem Bentley nur deshalb verfolgt hatte, um zu sehen, inwieweit er die befohlenen Anordnungen einhielt.
Ashton nahm seine Pistole aus dem Schreibtisch und überprüfte das Magazin. Es war voll. Sieben Schuß. Er schob die Waffe in die Jackettasche und ging in den Keller, um einen großen Koffer, der nicht mehr benutzt wurde, nach oben zu holen. Er untersuchte das Gepäckstück gründlich. Es enthielt weder aufgeklebte Hotelmarken noch die Initialen des Besitzers; keinerlei Anhaltspunkte würden der Polizei später irgendwelche Hinweise auf die Herkunft des Koffers geben.
Ashton nickte zufrieden. Der Koffer war groß genug, um den Mann aufzunehmen. Er würde das Gepäckstück später im Kofferraum seines Wagens aufbewahren, bis sich Gelegenheit bot, ihn irgendwann zu nächtlicher Stunde in die Themse zu werfen. Das war alles. Höchst unkompliziert und ungefährlich!
Ungefährlich! Diese Feststellung war möglicherweise verfrüht und ungerechtfertigt. Noch stand nicht fest, ob der Unheimliche allein oder mit einem Komplicen arbeitete.
Ashton glaubte freilich zu wissen, daß der Fremde einer ganz ähnlichen Linie folgte wie er selbst . . . der klassischen Linie des typischen Einzelgängers! Das sicherte im vorhinein einen Erfolg der Aktion!
Ashton stellte den Koffer in der Garderobe ab. Dann betrat er das Arbeitszimmer und trat an das Fenster. Alles würde davon abhängig sein, ob sich eine Chance bot, die Pistole zu benutzen . . .
Minute um Minute verstrich. Ashton zwang sich zur Ruhe. Jetzt kam es darauf an, die Nerven zu behalten. Natürlich legte es der Fremde darauf an, ihn zappeln zu lassen. Er wollte seine Nerven strapazieren. Aber er, Ashton Cabott, würde am Schluß doch triumphieren . . .
Das Telefon klingelte.
„Hier spricht der feister'", meldete sich die Stimme des Unbekannten. „Ist der Diener gegangen?"
„Ich denke, Sie lassen das Haus beobachten? Dann dürfte Ihnen nicht verborgen geblieben sein, daß Harvey sich auftragsgemäß abgesetzt hat."
„Wie lange wird er wegbleiben?"
„Mindestens zwei Stunden."
„Sie sind jetzt ganz allein.“
„Ja."
„Das Geld befindet sich bei Ihnen?"
„Allerdings. Hören Sie, weshalb haben Sie mich heute morgen..."
Der Fremde unterbrach ihn. „Öffnen Sie die Haustür. Lehnen Sie sie an. Setzen Sie sich dann in Ihr Arbeitszimmer, mit dem Gesicht zum Fenster. Lassen Sie die Tür des Arbeitszimmers offen, so daß ich Sie vom Flur aus sehen kann. Legen Sie das Geld in den Koffer, und stellen Sie den Koffer an die Schwelle des Arbeitszimmers. Haben Sie mich verstanden?"
„Ja."
„Gut. Im Laufe der nächsten Stunde bin ich bei Ihnen..."
„Hallo!" rief Ashton, aber der Teilnehmer hatte bereits aufgelegt.
Im Laufe der nächsten Stunde! Das bedeutete, daß der Unbekannte seine Zermürbungstaktik durch eine lange Wartezeit fortzusetzen beabsichtigte. Ashton überlegte. Solange er den ,Unheimlichen' nicht zur Strecke gebracht hatte, mußte er dessen Anweisungen strikt befolgen. Er öffnete den Safe,
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