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Der Unheimliche Weg

Der Unheimliche Weg

Titel: Der Unheimliche Weg
Autoren: Agatha Christie
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sein?«
    »Das werden Sie schon noch früh genug erfahren«, antwortete Mrs Baker, und bei aller Freundlichkeit lag doch etwas Zurechtweisendes, Einschüchterndes in ihrer Stimme.
    Sie fuhren weiter, während die Sonne langsam unter den Horizont sank. Die Nacht brach herein. Und je dunkler es wurde, desto deutlicher konnten sie weit hinten den Schein des verbrennenden Flugzeugs sehen. Zuweilen schien es, als ob der Wagen über roh angelegte Wege holpere, dann wieder fuhr er querfeldein. Eine richtige Straße gab es überhaupt nicht. Lang blieb Sylvia wach, aufgewühlt, wie sie war, aber schließlich schlummerte sie trotz des Stoßens und Rütteln des Wagens ein.
     
    Sie erwachte durch einen starken Ruck. Der Wagen war plötzlich stehen geblieben. Peters rüttelte sie sanft am Arm.
    »Aufwachen!«, sagte er. »Wir scheinen irgendwo angelangt zu sein.«
    Alle stiegen aus, mit steif gewordenen, schmerzenden Gliedern. Es war noch ganz finster. Kaum konnte man ein von Bäumen umgebenes Haus wahrnehmen. In einiger Entfernung blinkten schwache Lichter. Vielleicht lag dort ein Dorf. Beim Schein einer Laterne führte man sie ins Haus. Es war das Haus eines Einheimischen, und ein paar Berberfrauen steckten tuschelnd die Köpfe zusammen, lachten und starrten Sylvia und Mrs Baker neugierig an. Dagegen zeigten sie für die Nonne keinerlei Interesse.
    Man brachte die drei Frauen in einen Raum im oberen Stockwerk. Auf dem Boden lagen drei Matratzen und einige Kissen.
    »Ich bin ganz steif«, stöhnte Mrs Baker, »kein Wunder nach dem schrecklichen Gerüttel.«
    »Unbequemlichkeiten spielen keine Rolle«, sagte die Nonne in korrektem Englisch, aber mit grauenhaftem Akzent.
    »Sie spielen Ihre Rolle gut, Miss Needheim«, meinte die Amerikanerin. »Ich kann Sie mir vorstellen, wie Sie im Kloster um vier Uhr morgens auf dem harten Steinboden knien.«
    Miss Needheim lächelte verächtlich.
    »Das Christentum hat aus den Frauen Närrinnen gemacht«, sagte sie, »demütige Dienerinnen des Mannes. Dabei sind Frauen mindestens so stark und intelligent wie Männer und können um der Sache willen alles ertragen. Sie werden dazu beitragen, dass der Endsieg errungen wird – wie bei den Germanen.«
    »Sicher«, sagte Mrs Baker gähnend, »ich wollte aber doch lieber, ich wäre in meinem Zimmer in Fes im Hotel Djamai. Wie steht’s mit Ihnen, Mrs Betterton? Haben Sie die unbequeme Fahrt gut überstanden? War ja nicht gerade das Geeignete für Ihren Zustand.«
    »Nein, tatsächlich nicht.«
    »Man wird uns jetzt etwas zu essen bringen, dann gebe ich Ihnen ein Aspirin, und Sie werden gut schlafen.«
    Auf der Treppe wurden Schritte und weibliches Kichern hörbar. Die Berberfrauen brachten ein voll beladenes Tablett herein. Sie setzten es auf den Boden. Daneben stellten sie ein Becken mit Wasser und legten ein Handtuch dazu.
    Eine von ihnen befühlte Sylvias Mantel, rieb den Stoff zwischen ihren Fingern. Bei Mrs Bakers Mantel machten sie es ebenso. Dann tauschten sie aufgeregt ihre Meinungen darüber aus. Wieder zeigten sie nicht das geringste Interesse an der Nonne.
    »Husch, husch«, rief Mrs Baker und klatschte in die Hände, als ob sie Hühner aus einem Gemüsebeet verjagte.
    Die Frauen lachten und gingen hinaus.
    »Törichte Geschöpfe«, sagte Mrs Baker, »man muss viel Geduld mit ihnen haben. Sie haben nur Interesse für Kinder und Kleider.«
    »Etwas anderes verlangt man auch nicht von ihnen«, sagte Miss Needheim, »sie gehören einer Sklavenrasse an und sind gerade gut genug zum Dienen.«
    »Sind Sie nicht ein wenig ungerecht?«, fragte Sylvia, gereizt durch die überhebliche Art der Dame.
    »Ich habe keinen Sinn für Sentimentalitäten«, antwortete Miss Needheim. »Die Menschheit besteht nun mal aus Herrschenden und Gehorchenden.«
    Mrs Baker unterbrach die Unterhaltung.
    »Wir haben alle unsere persönlichen Ansichten über diese Dinge«, sagte sie, »aber die Zeit, um darüber zu diskutieren, ist schlecht gewählt. Wir müssen uns jetzt so lange und so gut wie möglich ausruhen.«
    Sie tranken Pfefferminztee, und Sylvia schluckte ihre Aspirintablette. Dann sanken die drei Frauen in Schlummer. Sie schliefen weit in den folgenden Tag hinein, da sie, wie Mrs Baker gesagt hatte, doch nicht vor dem Abend aufbrechen würden. Als sie sich endlich erhoben, öffnete Mrs Baker die Tür: Davor lagen Kleider, die man inzwischen gebracht hatte, säuberlich getrennt in drei kleine Stapel.
    »Wir werden jetzt die Tracht der Einheimischen anziehen
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