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Der Unheimliche Weg

Der Unheimliche Weg

Titel: Der Unheimliche Weg
Autoren: Agatha Christie
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Barron mild, »aber sie überlegt sich alles, wie jede andere gescheite Frau es auch tun würde.«
    Und Ericsson bemerkte mit seiner hohen, nervösen Stimme:
    »Wie kann jemand zurückwollen, der die Freiheit vor sich sieht?«
    Worauf Sylvia antwortete:
    »Wenn man nicht die Wahl hat, zu gehen oder zu bleiben, so kann von Freiheit nicht die Rede sein.«
    Die Unterhaltung wurde unterbrochen durch die Meldung, dass die Wagen zur Abfahrt bereit seien.
    Man stieg in die wartenden Cadillacs, deren Fahrer uniformiert waren.
    Sylvia setzte sich neben den einen und fing ein Gespräch mit ihm an.
    »Wie lange werden wir fahren?«, fragte sie.
    »Vom Flugplatz zum Krankenhaus? Etwa zwei Stunden. Madame.«
    Sylvia war durch diese Auskunft unangenehm überrascht. Inzwischen hatte sie auch bemerkt, dass Miss Needheim sich umgezogen hatte und jetzt einen weißen Kittel trug.
    »Von welchem Krankenhaus sprechen Sie?«, fragte sie und erhielt die begeisterte Antwort:
    »Ach, Madame, es ist wundervoll eingerichtet, ganz modern, und man tut dort alles für die Kranken, was möglich ist. Diese Kranken mussten früher auf einer abgelegenen Insel leben, wo sie elend zu Grunde gingen. Aber durch die neue Behandlungsmethode von Dr. Kolini werden fast alle, auch die schwersten Fälle, geheilt.«
    »Es ist aber eine sehr abgelegene Gegend für ein Krankenhaus.«
    »Oh, Madame, solche Kranken wollen einsam leben. Und die Luft ist herrlich hier. Da, sehen Sie«, er deutete nach vorn.
    Sie näherten sich einer lang gestreckten Bergkette, und dicht an diese geschmiegt lag ein leuchtend weißes Gebäude.
    »Dieses Haus zu bauen hat eine ungeheure Menge Geld gekostet. Aber man sagt auch, dass unser Herr zu den reichsten Männern der Welt gehört.«
    Er lenkte das Auto einen Zickzackweg hinauf. Schließlich hielten sie vor einem hohen eisernen Gittertor.
    »Hier müssen Sie aussteigen, Madame, denn mit dem Wagen darf ich nicht durch das Tor fahren. Die Garage liegt einen Kilometer entfernt von hier.«
    Die vier stiegen aus.
    Zwar war am Tor ein großer Klingelknopf vorhanden, aber man brauchte nicht zu klingeln. Das Tor schwang weit auf. Eine weiß gekleidete Gestalt mit einem freundlich lächelnden schwarzen Gesicht verbeugte sich und forderte zum Eintreten auf.
    Die kleine Gruppe durchschritt das Tor. Zur Rechten desselben, ebenfalls durch ein Gitter abgeschlossen, befand sich ein großer Hof, in dem menschliche Gestalten auf und ab gingen.
    Als sie sich umwandten, um die Neuankömmlinge zu mustern, entfuhr Sylvia ein Ausruf des Schreckens:
    »Aber das sind ja Aussätzige!«
    Und ein Schauder überlief sie.

11
     
    D ie Gitter der Leprakolonie schlossen sich hinter ihnen mit metallischem Klang.
    Durch Sylvias Kopf gingen die Dantéschen Verse: »La s ciate ogni speranza voi ch’entrate.« Dies war das Ende. Von hier gab es keine Rückkehr mehr.
    Damals in Casablanca hatte sie zu Jessop gesagt:
    Und wenn ich Betterton gegenüberstehe? Und er hatte mit ernster Miene geantwortet, dass dies der gefährlichste Augenblick sein würde. Er hatte hinzugefügt, dass er hoffe, sie dann beschützen zu können, aber Sylvia glaubte nicht mehr an diesen Schutz.
    War vielleicht Miss Hetherington Jessops Agentin gewesen? Aber die hatte man ja bereits abgehängt. Und selbst wenn nicht – was hätte sie hier schon ausrichten können? Hier war man endgültig eingesperrt.
    Und das gerade jetzt, wo ihr Lebensmut, ihr Interesse am Leben wiedererwacht waren. Wohl dachte sie noch an Brendas Grab und an Norberts Treulosigkeit mit Trauer und Wehmut, aber nicht mehr mit jener kalten Verzweiflung, die sie beinahe in den Tod getrieben hatte.
    Ich lebe wieder, dachte sie, ich fühle wieder den Reiz des Lebens – aber ich bin gefangen wie die Maus in der Falle. Gäbe es doch einen Weg, von hier zu entrinnen…
    Und wenn nun Betterton sagte: »Das ist nicht meine Frau«, was würde dann geschehen? Sie würde als Spionin gelten. Wenn sie ihm hingegen zuvorkäme und ausriefe: »Das ist nicht mein Mann!«? Aber sollte sie Betterton in eine so schlimme Lage bringen? War das anständig? –
    Ihre wild durcheinanderpurzelnden Überlegungen fanden ein Ende, als ein großer, gut aussehender Mann erschien und die kleine Gesellschaft aus der anderen Welt willkommen hieß, jeden in seiner Muttersprache.
    »Enchanté de faire votre connaissance, mon cher docteur«, sagte er zu Dr. Barron und dann, sich an Sylvia wendend: »Ah, Mrs Bette r ton, we are very pleased to welcome you. Your
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