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Der Unheimliche Weg

Der Unheimliche Weg

Titel: Der Unheimliche Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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warum eigentlich?«
    »Ach, sie reden über irgendwelche wissenschaftliche Theorien. Ich habe Mühe, ihm zu folgen, da er sich auf Englisch nur schlecht ausdrücken kann. Aber Tom bringt es fertig, ihn zu verstehen.«
    Der Tanz war zu Ende. Andy Peters tauchte auf und nahm Sylvia für den nächsten Tanz in Beschlag.
    »Ich habe Ihre Leiden mit angesehen«, sagte er, »sind Sie nicht ganz zusammengetrampelt worden?«
    »Oh, ich habe sehr aufgepasst.«
    »Haben Sie bemerkt, wie ich geflirtet habe?«
    »Mit der Jennson?«
    »Ja. Ich darf, ohne unbescheiden zu sein, behaupten, dass ich großen Erfolg gehabt habe. Diese störrischen, kurzsichtigen Mädels sind sehr wandlungsfähig, wenn man sie richtig zu nehmen weiß.«
    »Man hatte ganz den Eindruck, dass Sie in die Jennson verschossen seien.«
    »Diesen Eindruck wollte ich auch erwecken. Wenn man dieses Mädchen richtig behandelt, Olivia, so kann sie von großem Nutzen für uns sein. Sie ist in alles hier eingeweiht. So wird morgen zum Beispiel eine Gruppe von Besuchern kommen: Wissenschaftler, ein paar Politiker und ein oder zwei reiche Geldgeber.«
    »Andy, halten Sie es für möglich – «
    »Nein, das tue ich nicht. Hier passt man bei solchen Gelegenheiten höllisch auf. Nähren Sie also keine falschen Hoffnungen. Aber es kann von Wert sein zu beobachten, wie es bei solchen Gelegenheiten zugeht. Und beim nächsten Mal – nun, vielleicht lässt sich da was machen. Solange mir die Jennson aus der Hand frisst, kann ich eine Menge von ihr erfahren.«
    »Was wissen die Leute, die jetzt kommen?«
    »Was uns – ich meine die Gemeinschaft – betrifft, überhaupt nichts. Ich nehme es wenigstens an. Sie werden speziell die medizinische Forschungsabteilung besuchen. Diese Anlage ist absichtlich wie ein Labyrinth konstruiert, sodass niemand, der hereinkommt, erraten kann, wie weitläufig die ganze Anlage ist. Ich vermute, dass es überall Zwischenwände gibt, die jeden Arbeitsbereich vom anderen trennen.«
    »Das klingt alles so unglaubwürdig.«
    »Ja. Die halbe Zeit läuft man wie im Traum herum. Es ist auch so merkwürdig, dass hier gar keine Kinder vorhanden sind. Vielleicht ist es auch besser so. Seien Sie froh, dass Sie keine haben.«
    Ein Ruck ging durch ihren Körper. Er fühlte, dass er einen wunden Punkt berührt hatte. Schnell führte er sie von der Tanzfläche weg zu einem Sessel.
    »Verzeihen Sie, dass ich Sie verletzt habe.«
    »Ach, Sie können nichts dafür. Ich hatte ein Kind, und es ist gestorben – das ist alles.«
    »Sie hatten ein Kind?« Er starrte sie verblüfft an. »Ich dachte, Sie seien kaum sechs Monate mit Betterton verheiratet.«
    Sylvia errötete und sagte schnell:
    »Ja, natürlich, aber ich war schon einmal verheiratet und ließ mich scheiden.«
    »Ach so. Das ist das Unangenehme hier, dass keiner vom andern aus seiner früheren Existenz etwas weiß. So sagt man oft Dummheiten. Es kommt mir so sonderbar vor, dass ich überhaupt nichts von Ihnen weiß.«
    »Mir geht es ebenso mit Ihnen. Ich weiß nicht, wie Sie aufgewachsen sind – und wo –, nichts über Ihre Familie – «
    »Ich bin in einer wissenschaftlichen Atmosphäre aufgewachsen, habe sie sozusagen mit der Muttermilch eingesogen. Es wurde zuhause überhaupt nur von wissenschaftlichen Dingen gesprochen. Aber ich war nie der Stolz der Familie. Das war jemand anders – «
    »Wer denn?«
    »Es war ein Mädchen, ein Genie. Sie hatte das Zeug zu einer Madame Curie.«
    »Und was ist mit ihr?«
    »Sie wurde ermordet«, antwortete er kurz.
    Eine Tragödie der Kriegszeit, dachte Sylvia und fragte sanft: »Hatten Sie sie gern?«
    »Mehr als irgendjemanden auf der Welt.«
    Dann stand er plötzlich auf. »Genug davon. Wir haben jetzt andere Sorgen. Da, schauen Sie sich unseren norwegischen Freund an! Abgesehen von seinen Augen macht er den Eindruck einer Holzpuppe. Und diese wunderbaren steifen Verbeugungen! Man meint immer, er sei eine an der Schnur gezogene Marionette.«
    »Weil er so groß und mager ist.«
    »Er ist gar nicht so groß. Nicht viel größer als ich.«
    »Der Augenschein täuscht oft.«
    »Ja, das ist wie mit den Beschreibungen im Pass. Nehmen wir einmal Ericsson als Beispiel. Er ist etwa eins achtzig groß, hat blondes Haar, blaue Augen, längliches Gesicht und keine weiteren äußerlichen Kennzeichen – außer seinem steifen Gehabe. Aber selbst, wenn man noch hinzufügte, was nicht in einem Pass steht – ›drückt sich korrekt, aber umständlich aus‹ –, so würde man

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