Der Unheimliche
»und Sie hofften, Sie
könnten mich auf seine Fährte setzen und ich würde dann feststellen, was ihr
wirklich zugestoßen war?«
»Stimmt«, sagte er.
Ich trat an sein Bett, packte
ihn an seinen Rockaufschlägen und riß ihn hoch.
»Was haben Sie vor?« Seine
Augen traten vor Angst hervor.
»Sie kommen mit mir zur
Mordkommission!«
»Das können Sie nicht tun!«
schrie er. »Sie können mir nichts vorwerfen! Sie können mich nicht verhaften!«
»Mein Lieber«, sagte ich,
»haben Sie niemals davon gehört, daß das Verschweigen wesentlicher Umstände ein
Tatbestand ist, der Sie der Polizei gegenüber in ernsthafte Schwierigkeiten
bringen kann?«
Er begann hilflos vor sich hin
zu wimmern. Ich versetzte ihm einen Stoß, und er schwankte auf die Tür zu.
Ich brachte ihn zur
Mordkommission und übergab ihn einem Detektiv, der sich seiner annahm. Danach
ging ich in das Büro des Sheriffs hinauf.
Ein blonder Kopf erhob sich von
einer Schreibmaschine, und Annabelle lächelte mich herzlich an. »Rückkehr des
Helden nach dem Sieg!« rief sie. »Sie haben mich wirklich an der Nase
herumgeführt, Lieutenant!«
»Was nicht weiter schwierig
war«, erwiderte ich bescheiden. Ihr Lächeln welkte jäh dahin. »Sie sind
unerträglich«, sagte sie.
»Halten Sie mich nicht auf,
Magnolienblüte«, erwiderte ich übermütig. »Ist der Sheriff in seinem Büro?«
»Nein«, antwortete sie. »Soviel
ich weiß, war er bis sieben Uhr früh da. Dann ist er nach Hause gegangen, um
sich hinzulegen. Vor morgen kommt er nicht wieder.«
»Ich glaube, es kann warten«,
sagte ich. »Obwohl ich zuerst mit ihm hätte darüber sprechen sollen.«
»Worüber?« fragte sie gespannt.
»Über die Schönen aus dem
Süden«, erklärte ich. »Man sieht sie nirgends mehr, sie sind ohne jede Spur
verschwunden. Und an ihrer Stelle begegnet man Mädchen wie Annabelle Jackson.«
Ich flüchtete aus dem Büro,
bevor sie einen Lynchversuch unternahm. Ich setzte mich wieder in den Healy und
fragte mich, ob ich nicht zuerst etwas essen sollte. Als ich mich dafür
entschieden hatte, stieg ich wieder aus, ging in den nächsten Drugstore und
ließ mir belegte Brote und eine Tasse Kaffee geben.
Es war kurz nach halb drei Uhr,
als ich meinen Wagen vor dem Hafen
der Ruhe parkte. Ich stieß die Glastür auf.
Die Blonde sah keine Spur
besser aus.
»Mr. Rochnoff ist nicht da!« erklärte sie mir.
»Und was ist mit Miss Peace ?«
»Miss Peace hat zu arbeiten.« Sie warf die Lippen auf. »Mr. Rochnoff hat strenge Anweisungen gegeben, daß seine Angestellten um diese Zeit keine
Leute empfangen.«
»Ich bin keine Leute«, erklärte
ich ihr geduldig. »Ich bin Polizeibeamter. Und ich bin dienstlich hier. Sollten
Sie versuchen, mich in der Ausübung meiner Pflichten zu behindern, müßte ich
Sie leider verhaften.«
»Miss Peace befindet sich im >Raum der Stille<«, erklärte sie. »Sie wird es nicht
gern sehen, gestört zu werden.«
»Das hat sie mit den meisten
Menschen gemein«, bemerkte ich und ging zum Fahrstuhl.
Die Tür des »Raums der Stille«
war geschlossen. So klopfte ich an und wartete. Einige Sekunden später wurde
sie geöffnet, und Drusilla Peace sah mich erstaunt an.
»Oh, Lieutenant Wheeler!«
»Welche Überraschung, wie?«
rief ich. »Ich würde gern mit Ihnen reden.«
»Natürlich«, antwortete sie.
»Aber nicht da drin, Lieutenant — es ist besetzt.«
»Ich verstehe«, sagte ich.
»Wir könnten uns in Mr. Rochnoffs Büro setzen«, sagte sie. »Er ist im Augenblick
nicht im Haus.«
»Es dauert nicht lange«, meinte
ich. »Der Fall ist schon erledigt. Und Sie waren von Anfang an mit dabei. Sie
haben mich auf Bonds Spur gebracht. Wissen Sie noch? Und dann war da..., na
ja...«
»Meine Tätowierung?« Sie
lächelte sanft.
»Richtig«, sagte ich. »Ich
dachte, es würde Sie interessieren, die weiteren Zusammenhänge kennenzulernen.
Und meinen Plattenspieler kennen Sie ja auch noch nicht. Ich dachte, wir
könnten beides einmal vereinen?«
Sie blinzelte träge, als
verstünde sie nicht ganz. »Ich habe Ihnen nicht völlig folgen können, Lieutenant.«
»Gut, sagen wir es deutlicher. Heute abend — bei mir in der Wohnung. Eine Verabredung
zwischen Ihnen und mir. Sie hören sich den Plattenspieler an und dabei die
ganze weitere Geschichte. Getränke werden selbstverständlich vom Unternehmen
gestellt.«
»Das kling allerdings sehr
aufregend, Lieutenant«, sagte sie. »Ich komme gern. Um wieviel Uhr dachten Sie?«
»Gegen acht.« Ich
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