Der Unheimliche
und war nach weiteren fünf Minuten angezogen.
Als ich ins Wohnzimmer
zurückkehrte, sah sie mich völlig verständnislos an. »Kann nicht warten!« rief
ich. »Gib mir die Schlüssel vom Healy.«
Sie gab sie mir, ihr Gesicht
war noch immer verständnislos. »Ich komme so schnell wie möglich zurück,
Liebling«, sagte ich. »Ein paar Blocks weiter ist ein Kaufhaus. Warum gönnst du
dir nicht einen netten Tag, während ich weg bin, und machst dort einen kleinen
Fischzug?«
Ich sah die Tränen in ihren
Augen aufschimmern. Ach, verdammt, dieser Wheeler mit seinem Gemüt eines
Fleischerhundes!
»Es war doch nur ein Scherz!«
rief ich. »Du weißt doch, wie sehr ich deine Kleptomanie liebe!«
»Na«, antwortete sie, »dann
sollst du auch deine Pistole wiederhaben.«
In tiefem Schweigen nahm ich
sie entgegen und steckte sie in die Achselhalfter. »Danke«, sagte ich und zog
mich vorsichtig von ihr zurück. Ich dachte, falls ich mich beim Hinausgehen
nicht noch höllisch in acht nähme, würde ich womöglich in Unterhosen auf die
Straße treten.
Ich fuhr zum Hotel Wagner und eilte in die
Halle. Der Portier sagte mir, Mr. Bond wohne noch immer da, Zimmer Nummer
dreihundertzwölf.
Ich konnte es kaum aushalten,
während ich im Fahrstuhl hinauffuhr, und stürzte den Gang entlang zur Tür von
dreihundertzwölf. Ich ließ mir nicht einmal Zeit zum Anklopfen. Ich drückte die
Klinke, die Tür ging auf, und so trat ich einfach ein.
Mr. Bond fuhr kerzengerade und
wie in jähem Schrecken empor. Auf dem Bett stand ein offener Koffer, fertig
gepackt, daneben ein Briefumschlag und eine der Morgenzeitungen. Ich sah die
marktschreierischen Schlagzeilen: »Millionär und Mörder von Polizeileutnant
niedergeschossen.«
Ich schloß die Tür, lehnte mich
dagegen und lächelte Douglas Bond an.
»Verreisen Sie, Mr. Bond?«
fragte ich höflich.
»Ich habe gerade gelesen, daß
Sie den Fall zu Ende gebracht haben, Lieutenant«, erwiderte er. »Da haben Sie
wohl glänzende Arbeit geleistet, wenn ich mir ein solches Urteil erlauben darf.
Ich beglückwünsche Sie. Es ist für mich sinnlos geworden, länger in Pine City zu bleiben, und so fahre ich nach Vale Heights
zurück«
Ich trat ans Bett und griff
nach dem Umschlag. Er trug den Aufdruck einer Luftverkehrsgesellschaft. Drinnen
lag eine Flugkarte ohne Rückreise nach Chicago.
»Sie machen aber einen langen
Umweg nach Hause?« meinte ich. Er lächelte schwach und verzichtete auf eine
nähere Erklärung. »Sie sind wirklich ein guter Schauspieler, Mr. Bond«, sagte
ich zu ihm. »Wenn ich daran denke, wie elend mir zumute war, nachdem ich Ihnen
von Leila Cross erzählt hatte... Die Szene mit dem gebrochenen Herzen, die Sie
mir da vorgespielt haben — so hübsch verhalten und beherrscht in Ihrem Schmerz
— , das war wirklich sehenswert!«
»Ich verstehe Sie nicht ganz«,
erwiderte er.
»Ich glaube, daß Sie mich sehr
gut verstehen«, entgegnete ich.
Er nahm die Flugkarte, die ich
auf das Bett hatte zurückfallen lassen, und steckte sie in eine Innentasche
seiner Jacke.
»Sie werden mich entschuldigen,
Lieutenant«, erklärte er, »aber ich habe es eilig. Ich muß das Flugzeug noch
erreichen.«
»Sie waren nicht sicher, was
aus Marlene geworden war?« fuhr ich fort. »Und deshalb hatten Sie Leilas Spur
aufgenommen?«
»Ich fürchte, ich verstehe
wirklich nicht, was Sie meinen!«
Er schlug den Koffer zu,
ergriff ihn mit einer Hand und kam auf mich zu. »Es tut mir leid, aber ich muß
jetzt gehen, oder ich verpasse mein Flugzeug.«
»Wie kommen Sie auf den
Gedanken, daß Sie überhaupt verreisen werden?« fragte ich ihn.
Ich stemmte eine Hand flach
gegen seine Brust und drängte ihn ins Zimmer. Er wich zurück, bis er die
Bettkante in seinen Kniekehlen spürte. Plötzlich sank er zusammen und der
Koffer schlug auf dem Boden auf.
Jäh schlug er die Hände vors
Gesicht und brach in Tränen aus. »Sehen Sie«, fuhr ich fort, »Erpressung ist
eine Sache, die gar nicht so selten mit Heulen und Zähneklappern endet.
Vielleicht tröstet Sie das.«
»Ich habe es doch nicht
gewußt!« schluchzte er hysterisch, »ich habe es doch nicht gewußt, daß er sie
umbringen würde!«
»Wer ist denn eigentlich auf
den Gedanken gekommen?« fragte ich, »Marlene oder Sie?«
»Eigentlich war es meine Idee«,
antwortete er. »Ich wußte von der Tätowierung und vom Call-Girl-Ring. Ich
kannte Leila Cross... Ich..., ich habe mich einmal des Angebots der
Organisation bedient, und es war Leila,
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