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Der unmoegliche Mensch

Der unmoegliche Mensch

Titel: Der unmoegliche Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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abend angekommen.«
     Als ihm bewußt wurde, wie bedeutungslos diese Bemerkung war, lachte Halliday, aber Mallory lächelte schon.
     »Heute abend? Ich glaube, das konnten wir voraussetzen.«
     Als Halliday sein Handgelenk hob, um die alte Vierundzwanzigstunden-Rolex zu zeigen, die er immer noch trug, nickte Mallory und rückte seine Sonnenbrille zurecht, als wollte er Halliday genauer betrachten. »Sie haben also noch eine? Wie spät ist es übrigens?«
     Halliday warf einen Blick auf die Rolex. Es war eine von vieren, die er mitgebracht hatte. Sie waren alle sorgfältig synchronisiert mit der Vierundzwanzigstunden-Normaluhr, die im Observatorium von Greenwich immer noch lief und die verschwundene Zeit der früher rotierenden Erde registrierte. »Fast 7.30 Uhr. Das würde stimmen. Ist hier nicht Columbine Sept Heures?«
     »Ganz richtig. Ein netter Zufall. Aber die Dämmerungsgrenze rückt näher; ich würde sagen, es wäre hier ein wenig später. Doch ich glaube, wir können uns damit zufriedengeben.« Mallory kam von der Bühne herunter. »Sieben Uhr dreißig, alter Zeit – und neuer. Sie werden in Columbine bleiben müssen.
     Man trifft es nicht oft, daß die Dimensionen so übereinstimmen.« Er warf einen Blick auf die Mappe. »Sie wohnen im ›Oasis‹. Warum dort?«
     »Es ist leer.«
     »Einleuchtend. Aber hier ist alles leer. Immerhin, ich weiß, was Sie meinen, ich habe selbst zuerst dort gewohnt, als ich in Columbine ankam. Es ist verdammt heiß.«
     »Ich werde mich auf der Dämmerungsseite aufhalten.«
     Mallory neigte sein Haupt in einer kleinen Verbeugung, als wollte er Hallidays Ernsthaftigkeit anerkennen. Er ging zu dem Stereogerät hinüber und löste die Anschlüsse an einer Autobatterie, die daneben auf dem Fußboden stand. Er setzte die schwere Batterie in eine große Segeltuchtasche und gab Halliday einen der Henkel in die Hand. »Sie können mir helfen. Ich habe einen kleinen Generator in meinem Chalet. Sie ist nicht leicht aufzuladen, aber gute Batterien werden schon knapp.«
     Während sie in den Sonnenschein hinaustraten, sagte Halliday: »Sie können gerne die Batterie aus meinem Auto haben.«
     Mallory blieb stehen. »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Halliday. Aber sind Sie sicher, daß Sie sie nicht mehr brauchen? Es gibt noch andere Orte außer Columbine.«
     »Vielleicht. Aber ich habe den Eindruck, daß hier für uns alle genug zu essen ist.« Halliday zeigte auf seine Armbanduhr. »Außerdem, die Zeit ist richtig. Oder beide Zeiten, kann man sagen.«
     »Und Raum, soviel Sie sich wünschen, Halliday. Und alles frei um Sie herum. Warum sind Sie hergekommen?«
     »Ich weiß es noch nicht. Ich habe in Trondheim gelebt; ich konnte dort nicht schlafen. Wenn ich wieder schlafen kann, kann ich vielleicht auch träumen.«
     Er begann mit näheren Erklärungen, aber Mallory hob abwehrend die Hand. »Was meinen Sie, weshalb wir alle hier sind, Halliday? Ist man aus Afrika heraus, sind die Träume weg. Sie müssen Leonora kennenlernen. Sie werden ihr gefallen.«
     Sie gingen an den leeren Chalets vorbei, zur rechten Hand das erste der Schwimmbecken. In den Sand auf dem Grund hatte jemand einen riesigen Tierkreis gezeichnet und mit Muscheln und Kachelscherben verziert. Sie näherten sich dem nächsten Becken. Eine Sanddüne hatte eines der Chalets begraben und war in das Becken geflossen, aber ein kleiner Teil der Terrasse war freigelegt worden. Unter einer Markise saß eine junge weißhaarige Frau auf einem Metallhocker vor einer Staffelei. Ihre Jeans und das Männerhemd, das sie anhatte, waren mit Farbe beschmiert, aber ihr intelligentes Gesicht, über einem festen Kinn, schien gelassen und wach. Sie sah auf, als Dr. Mallory und Halliday die Batterie absetzten.
     »Ich habe Ihnen einen Schüler gebracht, Leonora.« Mallory winkte Halliday herüber. »Er wohnt im ›Oasis‹ – auf der Dämmerungsseite.«
     Die junge Frau wies Halliday einen Lehnstuhl neben ihrer Staffelei an. Er lehnte die Mappe gegen die Rückenlehne. »Die sind für mein Zimmer im Hotel«, erklärte er. »Ich bin kein Maler.«
     »Natürlich. Darf ich sie mir ansehen?« Ohne zu warten, begann sie die Reproduktionen durchzublättern und nickte bei jeder. Halliday warf einen Blick auf das halbfertige Gemälde auf der Staffelei, eine Landschaft, über die sich bizarre Figuren in einer merkwürdigen Prozession bewegten, Erzbischöfe mit phantastischen Mitren auf den Köpfen. Er sah zu Mallory

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