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Der unmoegliche Mensch

Der unmoegliche Mensch

Titel: Der unmoegliche Mensch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. G. Ballard
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daß du nicht einen Milchpudding aus mir machst!«
     Seine Schwester glättete schnell die Daunendecke. »Wenn dir meine Küche nicht paßt James, mußt du selbst für dich sorgen.«
     Ein leises Lachen kam über Falkmans Lippen. »Vielen Dank, daß du mir das sagst, Betty, es liegt ganz in meiner Absicht.«
     Er legte sich zurück und lächelte schwach vor sich hin, als seine Schwester pikiert mit dem Tablett hinausging. Sie zu necken tat ihm fast so gut wie das Essen, das sie ihm bereitete, und er spürte, wie das Blut in seine kalten Füße strömte. Sein Gesicht war immer noch grau und welk, und er ging mit seiner Kraft sparsam um. Nur seine Augen bewegten sich, während er die Raben auf dem Fenstersims beobachtete.
     Allmählich wurden die Unterhaltungen mit seiner Schwester häufiger, und er war bald so kräftig, daß er sich dabei aufsetzen konnte. Er begann sich mehr für seine Umwelt zu interessieren, beobachtete die Leute auf der Straße durch das Balkonfenster und widersprach, wenn seine Schwester Bemerkungen über sie machte.
     »Da ist Sam Banbury wieder«, sagte sie gereizt, als ein kleiner, gnomähnlicher alter Mann vorbeihumpelte. »Unterwegs zum Schwan, wie gewöhnlich. Wann wird er sich einmal Arbeit suchen, möchte ich wissen.«
     »Seit etwas nachsichtiger, Betty! Sam ist ein sehr vernünftiger Kerl. Ich würde auch lieber ins Gasthaus gehen, als eine Arbeit anzunehmen.«
     Seine Schwester schnaufte skeptisch, Ihre Beurteilung von Falkmans Charakter stimmte anscheinend mit dieser Bemerkung nicht überein. »Du hast eines der schönsten Häuser in Mortmere Park«, sagte sie. »Ich glaube, du solltest etwas vorsichtiger sein mit Leuten wie Sam Banbury. Er gehört nicht zu deiner Klasse, James.«
     Falkman lächelte seine Schwester nachsichtig an. »Wir sind alle in derselben Klasse, Betty, oder bist du schon so lange hier, daß du es vergessen hast?«
     »Wir vergessen es alle«, sagte sie nüchtern. »Du wirst es auch vergessen, James. Es ist traurig, aber wir sind nun in dieser Welt und müssen uns mit ihr befassen. Wenn die Kirche die Erinnerung für uns wachhalten kann, um so besser. Aber wie du bald herausfinden wirst, erinnert sich die Mehrheit der Leute an nichts. Und vielleicht ist es gut.«
     Widerstrebend ließ sie die ersten Besucher ein, war dabei aber so geschäftig und aufgeregt, daß Falkman kaum ein Wort mit ihnen wechseln konnte. Tatsächlich ermüdeten ihn die Besuche, und er konnte nicht viel mehr als ein paar höfliche Floskeln austauschen. Sogar als Sam Banbury ihm eine Pfeife und einen Tabaksbeutel brachte, mußte er all seine Energie zusammensuchen, um ihm dafür zu danken.
     Nur als der hochwürdige Pfarrer Matthews zu Besuch kam, brachte Falkman genug Kraft auf, eine halbe Stunde ernsthaft zu dem Priester zu sprechen, der mit höchster Aufmerksamkeit zuhörte und ihn gelegentlich mit Fragen unterbrach. Als der Pfarrer ging, schien er sehr erfrischt und gefestigt zu sein, und er schritt die Treppe hinunter mit einem fröhlichen Lächeln für Falkmans Schwester.
     Innerhalb von drei Wochen war Falkman aus dem Bett heraus und konnte die Treppe hinuntergehen und Haus und Garten inspizieren. Seine Schwester protestierte und verfolgte jeden seiner mühsamen Schritte, aber Falkman kümmerte sich nicht darum. Er fand seinen Weg in den Wintergarten, und an eine der verzierten Säulen gelehnt, betastete er mit seinen nervösen Fingern die Blätter der Zwergbäume, während Blütenduft sein Gesicht umfächelte. Draußen im Garten untersuchte er alles um ihn herum, als wollte er es mit einem elysischen Paradies vergleichen.
     Er ging gerade zurück zum Haus, als er sich auf dem Pflaster den Knöchel verrenkte. Bevor er um Hilfe rufen konnte, fiel er der Länge nach auf die harten Steine.
     »James Falkman, kannst du nie hören?« schimpfte seine Schwester, während sie ihm über die Terrasse half. »Ich sagte dir, du solltest im Bett bleiben!«
     Als er die Diele erreicht hatte, war Falkman froh, sich in einen Sessel setzen zu können, um seine geschundenen Gliedmaßen wieder zu sammeln. »Still, Betty, wenn ich bitten darf«, tadelte er seine Schwester, als er wieder zu Atem gekommen war. »Ich bin immer noch hier, und ich fühle mich ganz in Ordnung.«
     Er hatte nicht mehr als die Wahrheit festgestellt. Nach dem Unfall erholte er sich erstaunlich schnell. Seine Fortschritte zur vollkommenen Genesung nahmen unaufhörlich zu, als hätte der Sturz ihn von der

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