Der unsichtbare Feind (German Edition)
eigenes Stockwerk am Wienerberg im gleichnamigen Bürokomplex.
Spätestens der Gang an die Börse hatte ihn steinreich gemacht. Er hatte keine
lebenden Verwandten, keine Familie. Ein einsamer Kauz der auf seinem Geld, wie
eine Bruthenne gesessen hatte.
Opfer Nummer zwei, Leopold
Steiner war ein reicher Stahlindustrieller, verheiratet, zwei Kinder. Seine
Frau hatte ein wasserdichtes Alibi und die beiden Kinder waren zur fraglichen
Zeit im Internat in der Schweiz gewesen. In seiner Familie war der Mörder also
nicht zu finden. Und Feinde hatte sowieso jeder, der die Karriereleiter so weit
erklommen hatte, wie Steiner, aber keine konkreten Verdachtsmomente konnten
sich Stark erschließen.
Blieb noch Opfer Nummer
eins, ein Bauunternehmer namens Georg Bräuer. Von einem ein Mann Betrieb
ausgehend, hatte er seine Baufirma eigenhändig
zu einem Bauimperium aufgebaut. Er war bekannt für sein Durchsetzungsvermögen
und seine Härte, und so wie bei den Beiden anderen, gab es auch hier keinen
konkreten Verdacht. Überall hatte er bereits nach Gemeinsamkeiten der beiden
ersten Opfer gesucht, war aber nicht fündig geworden. Irgendetwas musste es
geben, dass diese Männer verband. Vielleicht würde er die Antwort hier finden.
Stark parkte seinen Wagen
vor den Vienna Twin Towers und blickte die gläserne Fassade hinauf. Die
unterschiedliche Lichtbrechung der gekippten und geschlossenen Fenster
erinnerte Stark an ein überdimensionales Neuzeitmosaik. Müllers Büro befand
sich im siebenunddreißigsten und obersten Stock des Gebäudes.
Er ging durch die große
Drehtür am Eingang hindurch und betrat die in rotem Marmor gehaltene Empfangshalle,
in der eine junge Frau hinter einem rund geschwungenen, golden glänzenden
Tresen saß und ihre frisch lackierten Fingernägel kritisch begutachtete. Stark
legte sein verführerischstes Lächeln auf, zupfte sich sein Hemd zu Recht und
trat an die Blondine heran: „Hallo.“
„Hallo, was kann ich für Sie
tun?“, erwiderte sie umgehend sein Lächeln.
„Ich möchte zum Büro von
Herrn Peter Müller.“
„Wen darf ich melden?“
„Inspektor Stark.“
„Einen Moment bitte“,
hauchte sie, während sie geschickt mit ihren endlos langen Fingernägeln eine
Nummer an ihrem Telefon wählte. Während sie wartete, musterte die junge Frau
Stark interessiert von oben nach unten und wieder zurück.
„Ja hallo, ein Inspektor
Stark von der hiesigen Polizei möchte mit Herrn Müller sprechen.“
Konzentriert lauschte die
Frau der Stimme am anderen Ende der Leitung.
„Ja ich verstehe“, sagte sie
schließlich und legte den Hörer wieder auf die Gabel, bevor sie sich Stark
zuwandte: „Wenn Sie bitte den Aufzug in den siebenunddreißigsten Stock nehmen.
Im Eingangsbereich werden Sie in Empfang genommen.“
„Vielen Dank“, zwinkerte er
ihr zu und stolzierte zum Aufzug.
Als die Tür im
siebenunddreißigsten Stockwerk zur Seite glitt, stand eine attraktive Frau in
ihren Vierzigern bereits im angrenzenden Vorraum, um Stark in Empfang zu nehmen.
„Guten Morgen Inspektor …“
„Stark“, vervollständigte er
und reichte ihr die Hand.
„Inspektor Stark, treten Sie
näher. Ich bin Frau Schwörer, die Assistentin von Herrn Müller“, begrüßte sie
ihn förmlich aber höflich.
Die Dame führte ihn in einen
kleinen Raum, auf dessen Türschild in großen Lettern „Besprechungszimmer zwei“
gedruckt war. Sie schloss die Tür hinter Stark und das hektische Geschnatter
des Büroalltages erlosch, als die Tür in die Angeln fiel.
Sie knöpfte ihren weinroten
Blazer zu, rückte ihren Rock zurecht und setzte sich neben ihn: „Verzeihen Sie
mir, sollte ich mich ein wenig seltsam verhalten, aber es kommt kaum vor, dass
wir Besuch von der Polizei bekommen.“
„Das geht schon in Ordnung“,
kicherte Stark amüsiert, „das bin ich gewöhnt.“
Stark konnte eine Lüge auf
dem Gesicht seines Gegenübers regelrecht ablesen und hier hatte er ein ganzes
Buch vor sich. Meistens waren es die Augen, die die Menschen dabei verrieten.
Während alle anderen Gesichtsmuskeln bewusst steuerbar waren und wie eine
Fassade die Wahrheit zu verkleiden mochten, so waren die Augen ein Fenster in
das Innere der Menschen.
Wer so groß im Geschäft war
wie Peter Müller, der hatte sicherlich das eine oder andere Mal Bekanntschaft
mit der Polizei gemacht, dasselbe galt für gewöhnlich auch für die engsten
Mitarbeiter.
„Darf ich Ihnen Tee oder
Kaffee anbieten?“
„Kaffee wäre nett.“
Frau Schwörer
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