Der unsichtbare Killer
Street und im Westen von der Maple Terrace begrenzt. Mit seinen dreißig Stockwerken dominierte es die umgebenden Gebiete und wirkte wie ein Nest aus künstlicher Koralle. Es saugte als Teil seiner Niedrigenergie-Bauweise das Sonnenlicht auf und besaß zehntausend silberne, undurchsichtige Fenster. Es war eine in sich geschlossene Gemeinschaft von Wohnungen, Läden, Büros, Schulen und Theatern, die vollständig von Agency-Polizei geschützt wurde. Mit der Verbindung zum Metro-Netzwerk und einem anerkannten Bürgerkomitee, das dafür sorgte, dass die lokalen Steuern niedrig blieben, war es an die übrige Metropolis sowohl angeschlossen als auch von ihr getrennt. Singletowns – so hatten es Bauunternehmer damals propagiert – waren die bestmögliche Weiterentwicklung zukünftiger Städte der Erde; Projekte, die die RRD-Gebiete verzehren, die städtische Verschandelung vertreiben und allen Menschen Heim und Arbeit zur Verfügung stellen würden. Tatsächlich waren um die Jahrhundertwende noch drei weitere Singletowns in Newcastle errichtet worden. Mit ihrer niedrigen Vermögenssteuer und einer Selektionspolitik, die unerwünschte Bewohner fernhielt, wurden sie zu Zufluchtsorten für die unternehmerische Mittelschicht: ultimative geschlossene Wohnanlagen, die die Probleme der übrigen Welt von sich fernhielten.
Sid sah zu, wie das Taxi rückwärts durch die George Street fuhr und sich der Ausfahrt näherte, von der aus man über einen der unterirdischen Zubringer direkt nach Fortin gelangte. »Komm schon, fahr da runter«, murmelte er. Wenn das Taxi aus Fortin gekommen war und dort einen Passagier aufgelesen hatte, hätte dies das Fahrzeug wirkungsvoll eliminiert. Die Überwachungssysteme in der Singletown funktionierten; privat finanziert eben. So wurde jeder Riss, jede Störung, jeder Schaden sofort repariert. Sie könnten die ganze Geschichte des Mannes zusammenkriegen.
Wieder hatten die Ermittler kein Glück. Sid sah zu, wie das Taxi an der Ausfahrt vorbei und in die Blandford Street fuhr. Von dort aus ging es natürlich in die Überwachungslücke an der Kreuzung mit dem St James’ Boulevard.
»Warum hat es diesen Weg genommen?«, fragte Lorelle.
»Wer weiß das schon?«, erwiderte Sid und wies sie an, die Kreuzung zu zentrieren. Manchmal hatten sie Glück, und ein Geflecht ein Stück weiter die Straße entlang ermöglichte einen schlechten Blickwinkel auf den ausgeblendeten Bereich. Diesmal nicht. Natürlich nicht. Also musste Sid die belebte Kreuzung ein paar Minuten beobachten und herausfinden, welches der Taxis, die darüberfuhren, das war, das sie verfolgten.
Und das war der Moment, in dem es gefährlich wurde. Sie hatten entschieden, in Schichten zu arbeiten, die nicht länger als zwei Stunden dauern durften. Der Frustrationsgrad verbunden mit der Notwendigkeit, äußerst penibel zu sein, bedeutete, dass Abkürzungen und Vermutungen überaus verlockend waren. Sid hätte am liebsten jedes Taxi selbst zurückverfolgt, um absolut sicherzugehen. Aber das war rein physisch unmöglich, und so musste er seinen Kollegen vertrauen. In seinem Albtraum-Szenario hatten sie alle zweihundertsiebzig Taxis untersucht, um dann festzustellen, dass sie irgendwo unterwegs einen Fehler gemacht hatten, dass jemand eine Lücke übersehen hatte, weil der Weg so offensichtlich gewirkt hatte oder sie müde gewesen waren oder jemand für ein paar Sekunden abgelenkt gewesen war. Wenn sie nicht herausfanden, welches Taxi es war, würden sie alles noch einmal machen müssen.
Was allerdings nicht passieren würde. Dafür würde O’Rouke sorgen.
Sid vergewisserte sich, dass das Taxi den ganzen Weg den Boulevard entlang zur Kreuzung mit der A186 fuhr und übergab um elf Uhr an Eva. Seine zwei Stunden waren um, und die Erleichterung war so stark wie das schlechte Gewissen, als er das Immersionstheater verließ.
Der Zustand in Office3 spiegelte die Moral des Teams perfekt wieder. Noch hatte er die volle Anzahl an Detectives, die jeweils an einer Konsole saßen und sich durch die Daten arbeiteten. Alle trugen Pullover wegen der schlechten Klimaanlage. In den Mülleimern stapelten sich die Verpackungen von Fast Food und die Wegwerfbecher gefährlich hoch. Der Teppich hatte zusätzliche undefinierbare Flecken abbekommen. Die Polsterung an der Armlehne von Abners Stuhl war mit schwarzem Klebeband befestigt worden.
Sid wartete einen Moment bei der Tür, bis das blaue Siegel auftauchte, und empfand die Tristheit und Apathie als
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