Der unsichtbare Killer

Glaubwürdigkeit. Nicht, dass ich irgendetwas beweisen kann. Also, wo waren Sie?«
    »Unter der Dusche, wo Paresh mich gefickt hat. Er mag das, was man mit ein bisschen Seife und Wasser tun kann.«
    »Schlau. Ein Gangbang ist immer ein gutes Alibi, besonders für den Star der Show.«
    »Ich bin eine strikte Ein-Mann-Frau, Elston. Wenn ich es getan habe, dann er auch.« Sie schluckte ein Lachen hinunter. »Oje, Sie haben es wirklich einen Moment lang in Erwägung gezogen, was?«
    »Nicht so richtig.«
    »Was für ein Glück für Sie, dass auf Ihrem Stuhl keine Geflechte sind. Richtig?«
    »Haben Sie Mullain jemals getroffen? Mit ihm gesprochen?«
    »Himmel, nein. Irgendein unbedeutender Kerl von der HDA – warum sollte er mich interessieren?«
    »Genau.«
    »Wieso bin ich hier? Sie glauben doch nicht wirklich, dass ich etwas damit zu tun habe?«
    »Nein. Ich brauche einen anderen Blickwinkel auf alles, einen von außerhalb der gewöhnlichen Kommandostruktur. Sie haben sich bei Ihrem Trupp ins warme Bett fallen lassen.«
    »Autsch. Elston, das war ziemlich anspruchsvoll von Ihnen.«
    »Also, geht da irgendetwas vor, von dem ich wissen müsste? Gibt es einen Schwarzmarkt für Ausrüstung? Geht’s um Drogen?«
    Angela schüttelte langsam den Kopf. »Nein. Nichts davon. Noch nicht. Wir sind gerade erst angekommen. Es wird allerdings noch passieren.«
    »Ich weiß, was geschehen wird. Ich muss wissen, ob es bereits angefangen hat.«
    »Nein. Tut mir leid. Ich kann Ihnen kein Motiv geben.«
    »Gerüchte? Eine Auseinandersetzung wegen einer Frau? Einem Mann?«
    »Verflucht, sie wollen das hier unbedingt erklären. Nein. Keine Gerüchte.«
    »In Ordnung. Danke.« Er winkte sie mit einer lockeren Handbewegung raus. Sie blieb sitzen.
    »Omar hat gesagt, dass er scheußlich ausgesehen hat, als sie ihn gefunden haben«, sagte Angela.
    »Ja.«
    »Also, was sagt die Obduktion?«
    »Es wird keine geben, zumindest nicht hier«, erklärte Vance. »Die Leiche geht mit dem nächsten Daedalus-Flug raus. Sie bringen sie zur Erde zurück. Ich gehe davon aus, dass es in Newcastle eine Untersuchung geben wird.«
    »Das ist ein Witz, oder?«
    »Was ist daran nicht in Ordnung?«
    Sie stieß ein verzweifeltes Zischen aus. »Ich bin ein … streichen Sie das. Sie sind ein außerirdisches Monster mit Klingen als Fingern. Sie haben gerade Mullain in den Bauch gestoßen, ihn ausgeweidet. Wie verbergen Sie das? Wäre es vielleicht möglich, dass Sie auf die Idee kommen, seine Leiche zu zermalmen?«
    »Scheiße!« Vance blickte auf und stellte fest, dass Antrinell ihn genauso entsetzt ansah.
    Angela stand auf. »Sie sind wirklich mies in Ihrem Job, was?«

Donnerstag, 28. Februar 2143
    Als das weiche nächtliche Ringlicht vom grelleren Schein des aufgehenden Sirius ersetzt wurde, veränderte sich die Farbe des von Venichi-Ranken übersäten Berghangs. Die Luft wurde schwer und tauchte die glänzenden olivgrünen Blätter in einen öligen, orangefarbenen Dunst. In dem Moment, da das hellere Licht auf die Ranken fiel, begannen die Unterseiten der einzelnen Blätter zu zittern und zu beben und setzten winzige Sporen frei, die in kleinen Klümpchen an ihrer Oberfläche klebten. Venichi-Ranken setzten ihre Sporen immer in der Morgendämmerung frei, damit die unruhigen Aufwinde des Tages sie möglichst weit trugen, ehe sie in der ruhigeren Nachtluft wieder nach unten sinken würden.
    Die Wolke wurde rasch größer, quoll das abfallende Gelände hinunter. Sie schwebte über das dahinterliegende flache Land, wobei sie sich ausdünnte und mehr und mehr ausbreitete. Als sie schließlich Camp Sarvar erreichte, war sie dünner als Rauch, aber immer noch dicht genug, um das Sonnenlicht zu beflecken.
    Angela war von dem ungleichmäßigen orangefarbenen Fleck, der da über den Himmel wirbelte, seltsam angetan, obwohl sie es hasste, dass die Körnchen sie ständig zum Niesen brachten. Sie wappnete sich also innerlich gegen diese Unannehmlichkeit, während sie am Rand der ausgedehnten Fläche aus niedergetrampeltem Gras stand, die Camp Sarvar als Hubschrauberlandeplatz diente. Fünfzig Meter weiter starteten die Turbinen der Berlin; schimmernder Dunst strömte aus den Abluftgittern am Rumpfende. Angela fragte sich einen Moment, ob die Sporen die Turbinen beeinflussen konnten, sodass ihre Wirksamkeit verringert und ein Abheben unmöglich sein würde. Aber Ravi Hendrik schickte Energie in die großen koaxialen Rotorblätter, und beide Rotoren fingen an, sich immer