Der unsichtbare Killer
wirklich wichtigen Dinge befanden sich darin, das, was sie brauchen würde, wenn alles schiefging und eine schnelle Flucht angesagt war. Nicht, dass sie sich jemals etwas so Entsetzliches ausgemalt hatte.
Ihre Finger waren vor Anspannung weiß, als sie die Tasche packte und die restlichen Treppen nach unten lief, gefangen in der stillen Düsternis des Herrenhauses. Die Stille bereitete ihr noch mehr Angst als das tückische Schimmern des Ringlichts, das über die Stufen strömte und deren Größe verzerrte; tiefe Schatten erzeugend, die sie in die Irre führten. Schon wieder war sie gestürzt, war die unbarmherzig harte Marmortreppe hinuntergefallen und hatte dabei große schmierige Blutflecken zurückgelassen. Ihr Stöhnen und ihre unterdrückten Schreie wurden von der Stille absorbiert und vernichtet.
Aber sie war die Einzige, die irgendwelche Geräusche machte. Alarme hätten die Nacht zerreißen und alle wecken müssen, hätten bewaffnete Wachen herbeirufen sollen. Alarme, die die Stille verjagt hätten. Beruhigende Alarme. Stattdessen wurde sie von Stille eingehüllt und verfolgt, während sie in panischer Angst weiter die Stufen zum riesigen Atrium im Erdgeschoss hinunterflüchtete. Und auf der Treppe, die zur Kellergarage hinunterführte, erwartete sie noch mehr Schweigen. Nicht einmal das Ringlicht wagte sich so tief nach unten, und so war es um sie herum pechschwarz. Da sie nichts sehen konnte, streckte sie die Arme weit aus, tastete nach den Wänden, um herauszufinden, wo sie war. Sie lief blind um ihr Leben, hoffte – betete! –, dass nicht irgendetwas anderes mit ihr in dieser Dunkelheit war. Da, vor ihr: ein Lichtschimmer. Vier dünne Linien. Ein Rechteck. Eine Tür!
Angela stürzte durch sie hindurch in die Garage. Hier brannte wenigstens Licht. Leuchtstreifen an der Decke verströmten ein helles, durchgängig grüngefärbtes Licht. Sie blinzelte in der unangenehmen Helligkeit und hyperventilierte heftig. Dann sah sie in benommener Angst an sich herunter. Das Blut, das überall an ihrem Körper klebte, trocknete inzwischen, wurde dunkler und blätterte ab, schälte sich wie eine hässliche Membran von ihrer Haut.
Ihr klägliches Jammern hallte durch die Garage.
Rechts und links von ihr standen silberblaue Jaguar JX-7-Cabrios in zwei langen Reihen. Sie glaubte, im Treppenhaus hinter sich etwas hören zu können, und zuckte wimmernd zusammen.
»Reiß dich zusammen!«, herrschte Angela sich selbst an. Sie lief zum ersten Jaguar und sprang mit einem Satz über die Tür auf den Fahrersitz. Ihre Hand kam dabei hart auf dem Armaturenbrett auf, und sie zuckte zusammen, als die verborgenen Waffen in ihren Fingerspitzen auf die Walnussverblendung knallten und ein scharfer Schmerz aufblitzte. Die Spitzen waren gleich hinter ihren Nägeln aus der Haut geglitten und zerfetzten ihr eigenes Fleisch, als sie sich vorwärtsschoben – die kleinen Risse waren immer noch wund. Trotz dieser fremden Spitzen bestätigte die Automatik des Jaguars die Biometrik als die von Barclay 2North. Der Joystick schob sich aus dem Armaturenbrett, und die dicken Schultergurte legten sich um sie und drückten sie angenehm an die Rückenlehne. Sie schaltete den Wagen auf manuell, drehte am Joystick und verlangte volle Beschleunigung. Die Räder drehten sich schnell und schickten Qualm in die Luft. Die Maschine machte einen Satz nach vorn. Die automatische Korrektur stellte sich ein, half ihr beim Lenken, als sie abbog, um der anderen Reihe von Jaguars und den Betonpfeilern auszuweichen. Dann fuhr sie auf die Rampe zu und raste hinauf in die Nacht. Scheinwerfer gingen an, schnitten durch den Nieselregen, der draußen fiel. Das Dach des Cabrios begann, sich zu schließen.
Angela fuhr einhundertundsiebzig Sachen, als sie den kurzen Tunnel erreichte, der Gironella Beach mit der Rue de Provence auf der anderen Seite der Hügel verband. Sie kam etwas ins Rutschen, als die Traktionskontrolle mit der regennassen Straße kämpfte, weigerte sich aber, langsamer zu fahren.
Im Tunnel holte der Schock sie schließlich ein, und sie fing an, unkontrolliert zu zittern. Tränen liefen ihr übers Gesicht, als die Benommenheit und die Konzentration auf den instinktiven Selbsterhaltungstrieb schließlich nachließen. Ihre Atemzüge kamen krampfhaft. Sie waren alle tot, alle; einfach umgebracht. Alle im Herrenhaus, die sie kannte, waren erbarmungslos abgeschlachtet worden.
Der Jaguar verließ den Tunnel, und sie nahm die Hand vom Joystick und
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