Der unsichtbare Killer
Nacht in Bartrams Schlafgemach bereitstanden. Mariangela trug ein langes Kleid aus Spitze und Seide, gebieterisch und spektakulär mit ihrem offen wallenden Haar, während Coi einfache weiße Pyjamas anhatte, ganz die eifrige Unschuld. Angela kleideten sie in weiße Shorts und ein durchsichtiges, schwarzes Neckholder-Top, wobei sie sich zu ihrer Wahl gratulierten – nur dass dieser Vorschlag von ihr gekommen war. Und das hatte auch seinen Grund.
Um zwei Uhr morgens, als die Regenwolken vom Meer hereintrieben und die leuchtenden Ringe von St Libra verdunkelten, trug sie jene Shorts, während sie selbstsicher durch den Korridor des siebten Stockwerks ging. Suski spielte Klavier und sang mit kehliger Wonne.
Angela schlüpfte in das retro-ägyptische Arbeitszimmer. Zumindest hatte heute Nacht im Bett niemand Öl benutzt, also musste sie sich keine Gedanken um Schmierflecken und Handtücher machen. Der Bund ihrer Shorts verbarg die kleinen Interzeptor-Nadeln. Sie zog sie heraus und schlängelte sich unter den Schreibtisch.
Es war alles bereit. Das Geld aus dem Delgardo-Valley-Vertrag war gestern auf Abellias kommunalem Hauptkonto eingegangen. Das Angebot von GuilioTransstellar war noch aufgezeichnet und ruhte bis auf weiteres zusammen mit den anderen konkurrierenden Angeboten. Noch einmal benutzte sie Barclays Codes und sprach das Gebot GiulioTransstellar zu. Hundertacht Millionen Eurofrancs verschwanden im Banking-Sektor des Transnets.
Angela stieß ein leises, erleichtertes Wimmern aus. Dieses eine Mal war sie nicht wütend auf sich selbst, weil sie Emotionen zeigte und ihre Augen feucht wurden. Es war erledigt. Vorbei. Nichts anderes war wichtig.
Aber es wäre schön, hier herauszukommen.
Sie zog sich methodisch zurück, zwang sich dazu, es nicht zu übereilen. Schloss das städtische Konto, indem sie Barclays Vollmacht benutzte. Brach die Infiltration ab, zog die Interzeptor-Nadeln heraus und ließ sie wieder in ihre Shorts gleiten. Fuhr die Konsole herunter.
Mit klopfendem Herzen öffnete sie die Tür des Arbeitszimmers einen Spalt weit, um hinauszuspähen. Die Brüder mussten letztlich ins Bett gegangen sein. Im ganzen Korridor waren die Lichter gelöscht. Es war vollkommen still und ungewöhnlich dunkel. Da die Ringe am Himmel von den dichter werdenden Wolken verschleiert waren, fiel durch die großen Fenster am anderen Ende des Ganges nur sehr wenig Licht herein.
Angela schloss die Tür des Arbeitszimmers und fing an, wieder zu Bartrams Schlafzimmer zurückzuschleichen. Auf halbem Weg geriet sie mit einem Fuß in eine Pfütze. Sie lag unmittelbar vor der Lounge, und ihr fiel auf, dass eine der großen Doppeltüren offenstand. Drinnen war es vollkommen finster.
Bei der Flüssigkeit handelte es sich nicht um Wasser. Das war ihr sofort klar: zu dickflüssig, zu klebrig. Und merkwürdigerweise zu warm. Sie runzelte die Stirn und verstand nicht, in was sie da hineingetreten war. Sie ärgerte sich darüber, denn sie würde es abwaschen müssen, ehe sie wieder zurück ins Bett schlich.
Sie betrat die Lounge, und die Flüssigkeit war überall auf dem Boden. Sie rutschte aus, ging rudernd auf die Knie und schlug hart auf. »Au! Verdammt nochmal. Haus: Minimales Licht in der Lounge.«
Die KI des Anwesens reagierte nicht. »Oh, komm schon!« Angela kämpfte sich hoch. Der Geruch in der Lounge war merkwürdig, unangenehm. Sie konnte ihn nicht ganz einordnen, obwohl sich eindeutig ein Minzgeruch daruntermischte. Sie wusste nicht, warum, aber das beunruhigte sie zutiefst. Langsam wurde die Sache lächerlich. Sie konnte die Flüssigkeit inzwischen überall auf ihrer Haut spüren. Irgendein Rohr musste gebrochen sein. Kühlflüssigkeit aus der Klimaanlage? Aber zumindest hatte sie nun einen Grund dafür, so spät nachts herumspaziert zu sein: Ich habe etwas gehört.
Die manuellen Schalter befanden sich hinter der Tür. Sie schlitterte herum wie ein niedlich angezogenes Baby auf einer Eisbahn und versuchte sie zu erreichen. Fünf winzige grüne LEDs glühten auf dem Panel und wiesen ihr den Weg. Ein weiterer Stolperschritt, und sie war da, ließ die Hand auf die Knöpfe klatschen.
Die Lichter der Lounge gingen an. Einen Augenblick lang wehrte sich ihr Verstand gegen den Anblick ihres eigenen Körpers. Die Flüssigkeit, die sie bedeckte, war leuchtend rot. Die Farbe hämmerte eine Warnung in den primitivsten Bereich des Gehirns. Blut!
Angela keuchte entsetzt auf. Es war überall. Es sammelte sich in Pfützen auf dem
Weitere Kostenlose Bücher