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Der unsichtbare Killer

Der unsichtbare Killer

Titel: Der unsichtbare Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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Marmorboden. Und sie stand mit den Füßen darin. Wieder schrie sie auf, lauter diesmal; ihre Angst und ihr Ekel gellten durch den großen Raum. Sie wirbelte herum, eine Bewegung, bei der sie rudern musste, weil sie schon wieder das Gleichgewicht verlor. Schmerzhaft fiel sie auf alle viere. Und blickte direkt auf Barclays Leichnam, vier Meter entfernt.
    Etwas hatte seine Brust durchbohrt. Das blaugrau gestreifte Seidenhemd war ebenso durchschnitten wie Haut und Brustkorb. Um Barclays Herz zu zerfetzen. Blut war aus der fransigen, mehrteiligen Wunde gespritzt und hatte sich auf dem Boden verteilt. Angela starrte ihm hilflos ins Gesicht mit einem merkwürdig liebenswerten Ausdruck friedlicher Überraschung noch im Tode. Sie wusste, dass er es war. Er trug ihre Bananen-Manschettenknöpfe. Aber da war zu viel Blut, um nur von einer Person zu stammen. Sie hob den Kopf.
    Suski lag neben dem Klavier, ihre Kehle so brutal zerfetzt, dass man sie beinahe geköpft hatte. Zwei weitere Norths lagen auf dem Boden ausgebreitet. Einer mit derselben bizarren Herzwunde wie Barclay, der andere war von der Lende bis zum Brustkorb aufgeschlitzt, seine Organe und Eingeweiden schwappten zusammen mit dem ganzen Blut heraus.
    Angela kämpfte gegen den hysterischen Schrei an, der versuchte, sich einen Weg durch ihre Luftröhre zu bahnen. Nur der Selbsterhaltungstrieb hielt sie ruhig; ein winziger, Restfunken Vernunft, dem klar war, dass der Irre noch in der Nähe sein musste – sie durfte ihn nicht auf sich aufmerksam machen. Sie blickte zu den schleifenartigen Lichtbändern auf, die sich künstlerisch um die Decke wanden, und erkannte, dass es ein schrecklicher Fehler gewesen war, das Licht anzuschalten – das und das Geräusch, das sie vorhin von sich gegeben hatte.
    Sie kam wieder auf die Füße. Das Blut, das ihre Haut bedeckte, verursachte ihr einen Brechreiz, der mit einem krampfartigen Würgen, das sich nicht zurückhalten ließ, aus ihrem Magen hervorzubrechen drohte. Ignorier es. Konzentrier dich.
    Angela griff nach der Tür, um sich abzustützen, und blickte hinaus in den langen Mittelgang, bereit, schnell zu den Treppen zu sprinten. Das Licht aus der Lounge hatte sich in der Dunkelheit jenseits davon aufgefächert. In fünf Metern Entfernung öffnete sich lautlos die Tür zu Bartrams Schlafzimmer. Dieser Anblick reichte aus, um alle Gefühle zu vertreiben und ihren Verstand zu klären. Sie hielt den Atem an und aktivierte die finsteren Waffenimplantate in ihren Armen.
    Nachdem Angela sein winziges Büro in der Qwik-Kabine verlassen hatte, saß Vance über eine Stunde hinter seinem Schreibtisch und überdachte alles. Was sie behauptete, konnte nicht stimmen. Und doch … Zum ersten Mal, seit sie einander vor über zwanzig Jahren begegnet waren, war Vance sicher, dass er letztlich etwas Wahres aus Angela Tramelo herausgebracht hatte. Barclay 2North war tot, ihr Zorn und ihre Verwirrung waren nicht gespielt gewesen, das wusste er. Sie hatte den Leichnam wirklich gesehen – und wenn irgendjemand Barclay identifizieren konnte, war es Angela. Aber jeder andere glaubte, dass er das Gemetzel überlebt und sich nun Zebediah nannte. Wenn Angela also recht hatte, dann war irgendwo, irgendwie ein unbekannter North an Barclays Stelle aufgetaucht und zu Zebediah geworden. Nun, zwanzig Jahre später, war ein weiterer unbekannter North durch das Gateway von St Libra gegangen, um auf Gottes guter Erde zu wandeln.
    Die beiden Ereignisse waren unwiderlegbar verknüpft. Aber um das zu beweisen, würde er seine Fähigkeiten auf eine schmerzhafte Probe stellen müssen. Und wenn es dann noch darum ging, die HDA-Führung zu überzeugen …
    Seine E-I nahm alle ursprünglichen Behauptungen von Angela Tramelo und ließ eine Suche nach jeglichem Hinweis auf Barclay 2North darüberlaufen. Sie hatte tatsächlich am dritten Tag nach ihrer Festnahme einem Polizisten in Newcastle die Szene beschrieben, die sie in der Lounge des Anwesens vorgefunden hatte. Vance brach die Transkription ab und holte sich die alte AV-Datei aus dem Speicher. Der Konsolenschirm krümmte sich um sein Gesicht, brachte ihn in die Zone, und er blickte zurück auf die Zeit vor zwanzig Jahren in dem abgeschirmten Verhörraum, wo Angela Tramelo mit schlecht geschnittenem rotem Haar und Handschellen hinter einem Tisch saß, einen verwirrten Verteidigungsanwalt neben sich, während der ältere von zwei Detectives eine Frage nach der anderen stellte.
    »Oh mein Gott«, murmelte Vance leise.

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