Der unsichtbare Killer
sich die Zufälle, was? Oder ist das vielleicht gar ihr Leben; der Zufall, dass es immer einen Zufall gibt?«
»Das hat nichts damit zu tun. Du hast gesehen, wie sie sich mir gegenüber verhalten hat. Sie hat ein Nein nicht einmal in Erwägung gezogen. Sie und ich, das wird funktionieren, du wirst sehen.«
»Bis sie herausfindet, dass du ihre beste Freundin anbaggerst, oder ihre kleine Schwester, oder ihre Mutter, wenn dir wirklich langweilig ist.«
»Nein«, sagte Ian entschlossen. »Diesmal nicht. Diesmal, Mann, da wusste ich es in dem Moment, als ich sie gesehen habe.«
»Oh, lieber Gott.« Eva nahm einen größeren Schluck Wein. »Ich kann nicht glauben, dass ich das jetzt hier sage, denn Scheiße nochmal, du verdienst es, einmal so richtig verletzt zu werden, aber sei bloß vorsichtig. Ein Mädchen wie die …«
»Ach was, Mann? Ist sie zu gut für mich? Das also denkst du von mir?«
»Sie ist eine Achteinhalb, vielleicht sogar eine richtige Neun. Und du bist was? Eine Vier?«
»Du redest Schwachsinn, Schätzchen.«
»Tu dir einfach einen Gefallen und geh es locker an, bis wir den Download von Shermans Mannschaft holen.«
»Es gibt keine Verbindung!«
»Schön. Gut. Beweise mir das Gegenteil. Wenn sie wirklich unschuldig ist, wirst du gezwungen sein, einmal ein paar ernsthafte Entscheidungen zu treffen. Es ist auch verdammt nochmal Zeit, dass du anfängst, erwachsen zu werden, denn – und dabei kannst du mir vertrauen – Tallulah wird sich nicht mit der normalen beschissenen Art abfinden, wie du Frauen behandelst. Wenn du es auch nur annähernd ernst meinst, musst du so richtig die Kurve kriegen.«
»Klar, danke, Mum.«
Eva schaffte es nicht mehr, ein ernstes Gesicht zu machen. »Du und sie? Wirklich. Diese Art von Ehrgeiz muss ich bewundern.«
»Hey, in einer so viel höheren Liga als ich spielt sie auch nicht.«
»Träum weiter, Romeo.«
Dienstag, 9. April 2143
Die zehn Wochen, seit er mit seinem Lichtwellen-Raumschiff auf dem Town Moor von Newcastle gelandet war, waren für Clayton 2North schwierig gewesen. Jene erste Nacht, in der er und Ivans Team seinen Bruder-Cousin Abner entführt hatten, war vermutlich die schlimmste gewesen. Aber Abners Alter passt am besten zu seinem eigenen verjüngten Aussehen, womit die Wahl unvermeidlich nur auf ihn fallen konnte. Es war lange her, dass Clayton im Feld aktiv gewesen war. Er musste sich gegen Abners Angst und Verwirrung stählen, als sie in seine Wohnung einbrachen und ihn in seinem eigenen Schlafzimmer umstellten. Zum Glück war eine solche Distanzierung für einen North relativ mühelos.
Der Handel war dabei hilfreich gewesen: Abners Kooperation im Austausch für eine vollständige Verjüngungsbehandlung im Habitat auf Jupiter, etwas, das er auf der Erde vermutlich niemals bekommen würde. Um den Deal zu versüßen, bot Clayton sogar eine gleichzeitige Eins-zu-Zehn-Gen-Resequenzierung an. Abner schäumte, brüllte und fluchte, aber nach dieser Zurschaustellung von Trotz – um zu beweisen, dass er niemand war, den man einfach herumschubsen konnte – willigte er auf phänomenal ungraziöse Weise ein, tausend Jahre zusätzliches Leben zu empfangen.
Daher war es Clayton gewesen, der am Dienstag, den 15. Januar, morgens zur Arbeit gegangen war und sich als Abner ausgegeben hatte. Er hatte ein wenig Spielraum zum Eingewöhnen, denn da gerade ein 2North-Bruder ermordet worden war, konnte man durchaus erwarten, dass er schockiert war, nicht ganz bei sich. Durch die Codes und die widerstrebend geäußerten persönlichen Informationen, die Abner in einer schnellen Besprechung herausgerückt hatte, war Clayton rasch in seine angenommene Identität hineingewachsen. Von diesem Augenblick an war das einzige andere Opfer des Austauschs die arme Melissa Stosnoski gewesen, Abners Freundin, die unhöflich fallengelassen wurde – abermals ein wohlgeübter Charakterzug der Norths.
Trotz aller Fortschritte beim Einfinden in seine neue Rolle waren es zehn äußerst frustrierende Wochen gewesen. Er musste zugeben, dass Detective Sid Hurst eine gute Ermittlung führte, besonders unter dem Druck nach der Einmischung und Überwachung durch die HDA. Die Entschlossenheit des ganzen Teams, die sich in der albtraumhaften Monotonie der Rückverfolgung des Taxis zeigte, war bewundernswert.
Aber trotz aller Errungenschaften in der Ermittlung war das einzige handfeste Ergebnis aus jenen zehn Wochen Ernie Reinert, der entbehrliche Mann für Aufräumarbeiten, der nichts
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