Der unsichtbare Killer
dem Büro des Staatsanwalts übergeben wurde, das Log ein wenig würde nachbearbeiten müssen. Unten im zweiten Stock gab es einen Bits-und-Bytes-Experten, der ihm dabei sicherlich behilflich sein konnte.
»Abner«, setzte Sid nach. »Sagen Sie mir, was sich Ihrer Einschätzung nach abgespielt hat.«
Mit einem letzten verächtlichen Schnauben wandte sich Abner von Ian ab. »Meiner Meinung nach gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder rannte da ein 2er rum, von dem wir nichts wissen. Das ist unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Oder aber Constantine und Brinkelle sind nicht ganz ehrlich.«
»Und warum?«, fragte Ian.
Abner zuckte die Achseln. »Ich kann mir keinen Grund vorstellen.« Er sah Ian mit funkelndem Blick an. »Ganz sicher nicht aus Unternehmensgründen – wegen Geld.«
»Okay«, sagte Sid rasch.
»Es gibt noch eine dritte Möglichkeit«, sagte Ari.
Abner sah ihn verwundert an.
»Und die wäre?«, fragte Sid.
»Es gab in der Vergangenheit Bestrebungen, uns zu kopieren.«
»Sie sagten doch, Sie hätten mit allen 2ern gesprochen«, wandte Eva ein.
»Haben wir«, erwiderte Ari. »Aber um aufrichtig zu sein, hat es sich dabei um Dreißig-Sekunden-Telefonate gehandelt, in denen wir nur fragten, ob sie noch leben.«
»Holt sie her«, sagte Ian. »Verhört sie. Nehmt DNA-Proben. Das ist der einzige Weg, herauszufinden, ob ein Schwindler unter ihnen ist.«
»Na dann viel Glück«, meinte Abner nur.
»Dazu würden wir Augustines Genehmigung brauchen«, grübelte Sid laut. Der Gedanke an die negativen Konsequenzen, die dieses Ansinnen für O’Rouke haben würde, gefiel ihm gar nicht. Besser, er hielt sich erst mal an Aldred.
»Seine Kooperation«, korrigierte ihn Ari.
Sid wollte bereits zu einer Antwort ansetzen, als draußen das rapide lauter werdende Dröhnen eines Helikopters zu hören war. Lorelle stieß sich von ihrem Konsolentisch ab, rollte mit ihrem Stuhl zum nächstgelegenen Fenster und spähte in den Abendhimmel hinauf. Es hatte inzwischen wieder zu schneien begonnen. »Ein Kamov 130«, stellte sie anerkennend fest. »Hilfspropeller am Heck. Die Dinger sind echt schnell. Ich kenne keine Agency, die sich für Polizeiarbeit so einen leisten kann.«
Alle sahen Sid an.
»Unser neuer Boss für den Fall?«, vermutete Eva.
»Fragen Sie nicht mich«, protestierte Sid. »Mir erzählt man gar nichts.«
»Und wie geht’s jetzt weiter?«, fragte Ian.
Sid rieb sich mit den Händen übers Gesicht. Eigentlich wollte er nur noch nach Hause, aber das konnte er wahrscheinlich vergessen. »Es hat keinen Sinn, wenn wir alle hierbleiben. Schließt und verschlüsselt eure Dateien und seht zu, dass ihr heimkommt. Ich werd die Folgemaßnahmen formulieren, die sich aus den heutigen Ermittlungen ergeben, damit ich sie dem neuen Obermacker vorlegen kann.«
Um sieben Uhr dreißig war er immer noch mit dem offiziellen Antrag auf die kriminaltechnische Untersuchung der Örtlichkeiten um den Fluss herum beschäftigt, als O’Rouke ihn schließlich in den sechsten Stock hinaufzitierte. Als er das große Eckbüro betrat, war er nicht weiter überrascht, dort einen hochgewachsenen Afroamerikaner anzutreffen, der ihn mit festem Händedruck und einem abschätzenden Blick begrüßte. Agent Vance Elston hätte kein offensichtlicherer verdeckter Ermittler der Regierung sein können, wenn er auf seiner Stirn das Wort SPION eintätowiert gehabt hätte. Mit Aldreds Anwesenheit, der ebenfalls in dem Büro auf ihn wartete, hatte er allerdings nicht gerechnet.
Der letzte Teilnehmer an dem Meeting war eine Frau, die über eine sichere Konferenzschaltung von ihrem eigenen Büro in Brüssel aus partizipierte und auf einem der Wandmonitore gegenüber dem Fenster zu sehen war. O’Rouke stellte sie als Charmonique Passam vor, Beauftragte des Grande Europe Bureau für Außerirdischen-Evaluation. Sid hatte weder von ihr noch von ihrer Behörde jemals etwas gehört, aber er erkannte den Typ sofort. Eine Politikerin, und zwar der schlimmsten Sorte. Sie befand sich in ihren frühen Fünfzigern, hatte ein gepflegtes Äußeres und war in einen peinlich unangemessenen Abklatsch wirklichen Reichtums gekleidet. Ein Kostüm aus irgendeinem Pariser Modehaus. Schwarzes, durch braune Strähnchen aufgelockertes Haar, die Frisur akkurat. Eine Haut, die ihre indianische Herkunft verriet und mit Make-up an Wangen und Augen farblich pink und blau abgestuft war. Die ganze Staffage ließ sie sogar älter aussehen, was, wie Sid mutmaßte, auch die
Weitere Kostenlose Bücher