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Der unsichtbare Killer

Der unsichtbare Killer

Titel: Der unsichtbare Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter F. Hamilton
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Immigrationspolitik für Neuansiedler gesorgt, da Straffällige, die sich geringerer Vergehen schuldig gemacht hatten, zusammen mit den chronisch Arbeitslosen ins Neuland abtransportiert wurden. Gesetzesbrecher einfach einzubuchten, war schon lange aus der Mode gekommen, und dieser Trend des sozialen Fortschritts wurde nur dadurch beschleunigt, dass man Ganoven kurzerhand Lichtjahre von ihrem Wirkungskreis entfernt verklappen konnte. Dort waren sie dann gar nicht mehr in der Lage, die Straftat zu wiederholen – was hauptsächlich daran lag, dass sie sich mitten in einer Wildnis wiederfanden, mit Eigentumsrechten einzig auf einen Hektar Land, einem Zelt, einem Sack Saatkörner, einem Werkzeugkasten. Dort vermochten sie nur noch, der Staubwolke hinterherzublicken, die der Bus des Umsiedlungsservice hinterließ, wenn er davonzockelte, um eine halbe Meile weiter in der Prärie auf einem anderen Stück karger Scholle das nächste lästige Subjekt abzuladen.
    Gleichwohl waren einige Leute, trotz aller Bemühungen von Psychologen, Sozialarbeitern, Ausbildungsfachkräften, dem Einsatz von Medikamenten und guten alten Brutalo-Wächtern, schlechterdings nicht geeignet, irgendwo in die Freiheit entlassen zu werden, ganz gleich, wie viele Lichtjahre vom besorgten Steuerzahler entfernt das auch sein mochte. Für die wirklich Gefährlichen – die Psychopathen, die Serienkiller und Kinderschänder, die Für-die-Sache-sterben-Fanatiker und die einfach nur durch und durch Bösen – blieb der Knast die einzige Option. In all diesen Fällen lautete das Urteil »lebenslänglich«. Und im Jahr 2143 bedeutete lebenslänglich wirklich, bis dass man starb.
    Das Holloway war ein reines Frauengefängnis, eines von lediglich zweien in der ganzen United-Kingdom-Region von Grande Europe. Sein tristes Äußeres und seine Smartdust-Überwachung waren gleichsam nur die Bestätigung, dass die einzige Möglichkeit für die Insassinnen, jemals hier herauszukommen, nur als ein Häuflein Asche sein würde. Wie um diesen Sachverhalt noch zu unterstreichen, verfügte es über sein eigenes Krematorium, das an die Rückseite des Krankenhausblocks angeflanscht war.
    Das Leben in dieser letzten Verwahranstalt war streng reglementiert. Sämtliche Aktivitäten hatten ihre festen Zeiten, und über allem waltete Routine. So war es für die Aufseherinnen leichter, eine Maschinerie so reibungslos wie möglich am Laufen zu halten, in der Frauen einsaßen, die Vergnügen am Schmerz und Leid anderer und in vielen Fällen auch dem eigenen fanden.
    Alle kannten die Routine. Genauestens. Folgten ihr mit zwanghafter Akribie. Waren beinahe mental auf sie abgestimmt. Sie war die Stromspannung, die durch das gesamte Gebäude floss und die Insassinnen durch jeden neuen Tag trieb. Die geringste Störung konnte man unterschwellig die pastellgrünen Gänge und posterbehängten Zellenwände entlangzittern spüren, und ganz sicher in den Werkstätten aus dem neunzehnten Jahrhundert.
    Um zwei Uhr saß die Gefängnisdirektorin in ihrem Büro und nahm in der dürftigen Privatsphäre, die es bot, einen höchst ungewöhnlichen Anruf entgegen. Als sie drei leitende Angestellte zu sich zitierte, um sie zu informieren, war die Folge außerhalb des Verwaltungsblocks in etwa so, als würde ein Rudel Wölfe dem Vollmond die Nasen entgegenrecken und die Witterung verwundeter Beute aufnehmen.
    Irgendwas war im Busch. Etwas Neues. Etwas anderes. Das Gefühl raste durch die miteinander verbundenen Blöcke, wie heftige Ausschläge und Rückgänge in der fließenden Spannung. Aggression, häufig der Zwillingsbruder von Unsicherheit in Einrichtungen zur Sicherheitsverwahrung, begann sich zu manifestieren. Es kam zu Handgreiflichkeiten, Widerworten, Beschimpfungen gegenüber dem Personal. Das Handballspiel im Innenhof wurde nach der zweiten gebrochenen Nase beendet.
    Um drei Uhr schickte die Direktorin alle zurück in ihre Zellen, damit sie sich wieder abkühlen konnten. Die Routine war wirklich und wahrhaftig zerstört und dahin. Jeder einzelne Zellentrakt hallte von den rauen Refrains obszöner Lieder und gebrüllten Todesdrohungen wider. Die Direktorin führte fünf Wächterinnen persönlich Block J hinunter und setzte sich damit einer erstaunlichen Vielzahl von erfinderisch gestalteten Objekten, die sich durch die schmalen Fenstergitter in jeder Tür schleudern ließen, aus. Die Obszönitäten hörte sie schon gar nicht mehr. Es war beinahe ein Ritual. Was alle wirklich wissen wollten, war,

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