Der unsichtbare Killer
dahinterstehende Absicht war. Ihre Berater mussten ihr wohl erzählt haben, dass Alter mit Würde gleichzusetzen war. Wie man so viel Geld und so viel Geistesressourcen für die Fabrikation eines Gesichts verschwenden konnte, das ebenso komisch wie mitleiderregend war, konnte Sid nicht ganz begreifen. Die andere Sache, die er nicht verstand, war, was sie bei dem Meeting hier heute Abend verloren hatte. Aber er kam nicht dazu, danach zu fragen.
»Irgendwelche Fortschritte?«, kam O’Rouke, nachdem er alle vorgestellt hatte, gleich zur Sache.
Das fängt ja gut an , dachte Sid. »Wir haben potenzielle Stellen ermittelt, wo die Leiche in den Fluss geworfen worden sein kann. Am interessantesten für uns ist allerdings die Identität.«
»Wer war es?«, fragte Vance Elston.
»Das wissen wir nicht.«
»Und Sie denken, dass das interessant ist?«
»Sehr. Wir haben verifiziert, dass er ein 2North war. Dennoch haben wir alle lebend ausfindig machen können. Unsere Theorie geht im Augenblick dahin, dass ein Schwindler einen 2North imitiert hat, wahrscheinlich um irgendeine Art von Firmenbetrug zu begehen. Wenn wir die Stelle, an der die Leiche im Tyne entsorgt wurde, hundertprozentig identifiziert haben, können wir mit einer gezielten Rückverfolgung beginnen«, entgegnete Sid ruhig. »Ich habe für die entsprechenden Prozeduren schon die Beantragung einer Vollmacht vorbereitet.«
»Für wen?«, fragte Charmonique Passam nach.
»Das muss ich erst noch mit dem Chief Constable besprechen«, erwiderte Sid vorsichtig. Ihr Ton verriet ihm, dass es eine Fangfrage war. Darüber hinaus klang ihr Ton außerdem wie der eines Mitglieds der Königlichen Familie, das auf einer jahrhundertealten Aufnahme sprach. Gönnerhaft. Sid merkte, wie seine Meinung über sie immer schlechter wurde, und nahm sich vor, nicht so zynisch zu sein. Er wusste ganz genau, dass er, wenn sich das Meeting zu lange hinziehen sollte, in Sarkasmus verfallen würde, und das wäre keinesfalls eine gute Sache.
»Ich meine nicht irgendeine Agency, die Sie unter Vertrag genommen haben. Mich interessiert die Zusammensetzung Ihres Teams.«
»Verzeihung?« Aus den Augenwinkeln heraus konnte Sid sehen, wie sich O’Roukes Gesicht versteinerte und eine leicht rötliche Färbung annahm. Sein Blutdruckproblem würde ihn eines nicht allzu fernen Tages noch umbringen. Interessanterweise zeigte Elston keinerlei Reaktion; nicht die geringste, und das war beeindruckend. Er wirkte wie ein Vater, der stoisch darauf wartete, dass der Wutanfall eines kleinen Hosenmatzes verpuffte.
»Es scheint mir sehr von Männern dominiert zu sein«, meinte Charmonique Passam. »Mehr sage ich nicht. Aber ich bin verwundert, dass ich das heutzutage überhaupt sagen muss. Ich dachte, über solche Fragen wären wir nach achtzehn verschiedenen Gesetzen zur Durchsetzung der Gleichstellung in den letzten hundert Jahren lange hinaus. Sehr lobenswerte Gesetze im Übrigen, wie ich vielleicht hinzufügen darf.«
Und was zur Hölle willst du über unsere Dienstpläne wissen? Ganz zu schweigen davon, wie man überhaupt jemanden – am allerwenigsten Frauen – für den Job begeistern soll angesichts der hundsmiserablen Bezahlung und den Scheißbergen von Kummer, den die Regierung – SIE! – uns bereitet? »Wenn Sie mit meinem Team nicht zufrieden sind –«, hob Sid hitzig an.
»Nein. Ich habe keine Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen wollen, Detective, ich habe einfach nur eine Feststellung gemacht.«
»Ich kann morgen früh mit dem HR reden.«
»HR?«
»Human Resources.«
»In Brüssel nennen wir das Abteilung für Personalmanagement. Resources klingt nach etwas, das man aus dem Boden ausgräbt. Angesichts der Seltene-Erden-Konflikte in vergangenen Zeiten könnten viele Menschen Anstoß daran nehmen.«
»Genau.« Schon lange nicht mehr einen derartigen Schwachsinn gehört.
»Aber ich danke Ihnen, dass Sie so nett waren, meine Bedenken ernst zu nehmen.«
»Okay, folgender Sachverhalt«, kürzte O’Rouke den Eiertanz ab. »Mit sofortiger Wirkung untersteht der Fall der Zuständigkeit der HDA.«
»Der Human Defence Alliance?«, fragte Sid überrascht. Er hatte angenommen, dass irgendeine Art von Brüssel unterstützter Interpol die Sache übernahm.
»Ja, Detective«, sagte Elston. »Ein Agent namens Ralph Stevens wird morgen hier eintreffen, um als unser Verbindungsmann zu Ihrem Team zu fungieren. Wie gehabt werden Ihnen ein unbeschränktes Budget und unbegrenzte Mittel zur Verfügung
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