Der unsichtbare Killer
wie sie im fünften Stock herausfanden –, durch einen Bogengang mit gewölbten Alkoven, in denen uralte Kleidungsprinter standen. Zwischen dem sechsten und dem siebten Stock lief Wasser oder eine ähnliche Flüssigkeit am Leiterholm hinunter.
Dann endlich erreichten sie den achten Stock. Die vom Solardach kaum einen halben Meter über ihren Köpfen ausgehende Hitze ließ die reglose Luft kochend heiß werden. Clayton war kaum oben von der Leiter geklettert, als er schon spürte, wie ihm der Schweiß aus allen Poren brach und sein T-Shirt und die Hose tränkte. Die Nachtsichtfunktion der Gasmasken-Sichtschlitze verlieh den geschwungenen Korridoren einen unheimlichen aquamarinblauen Farbstich, als befände er sich unter Wasser. Infrarot mischte sich ein und schärfte die Silhouetten mit pinkfarbenen Schatten.
Das Radarbild von den draußen schwebenden US-22 hatte den Grundriss des achten Stocks aufgefangen. Er war in einfache sechseckige Zimmer aufgeteilt, die durch die labyrinthischen Korridore voneinander getrennt wurden.
Ian ging voraus. Er bewegte sich auf die Stelle zu, an der sie den Download-Impuls der Smartmikrobe ausfindig gemacht hatten. Er ging langsam, die Pistole erhoben, bereit zum Zielen und Feuern. Prüfte vor jedem Schritt sorgsam den Boden.
Gute Vorgehensweise, musste Clayton zugeben. Sie verursachten keinerlei Geräusch, während sie sich der Tür näherten.
»Haltet euch bereit«, schickte er an Ivan. »Wenn er da drin ist, brauche ich das Schiff, um ihn rauszuholen.«
»Jawohl, Sir.«
Clayton begann, die Metamolekül-Ausrüstung zu aktivieren, die er vom Jupiter mitgebracht hatte.
Als Sid im Mercedes Allwetter gesessen und darauf gewartet hatte, dass der Angriff losging, hatte er das als anstrengend empfunden. Doch es war nichts verglichen mit der Spannung, während sie in den bedrückend dunklen Eingeweiden des übel mitgenommenen Mountain-High-Gebäudes herumkrochen und ein Phantom jagten.
Aber jetzt waren sie keine zehn Meter mehr von der Tür entfernt, hinter der ihre Beute sich verstecken mochte. Er packte seine Pistole fester und wünschte sich, der Filter der Gasmaske würde einen ordentlichen Schwall Luft in seine Lunge lassen. Ian war ein paar Meter vor ihm, dank der sich überlagernden Bilder besaß er ein jadefarbiges und purpurnes Profil. Er näherte sich extrem vorsichtig der Tür. Sie stand einen Spalt offen, und von Innen war immer noch nichts gekommen – kein verräterisches Geräusch, keine Bewegung. Eva, die die Letzte in ihrer Reihe war, sah sich immer wieder um, um sicherzugehen, dass Aldred sich nicht von hinten anschlich. Denn genau das hätte zu dieser Umgebung bestens gepasst.
»Sir«, sagte Linsell über den sicheren Ringlink. »Wir haben eine unauthorisierte Sendung von Ihrem Standpunkt entdeckt.«
»Das wird Aldred sein«, sagte Ralph.
»Nein, Sir, es ist direkt neben Ihnen. Hochgradige Verschlüsselung.«
Sid zuckte zusammen; er prüfte automatisch die Decke, während sein Herzschlag literweise Adrenalin in sein Blut pumpte. Als er wieder nach vorn blickte, deutete Ralph stumm auf die Mauer. Sid nickte, Aldred hielt sich auf der anderen Seite auf, vielleicht einen Meter entfernt.
»Ich schlage vor, Sie warten, Sir«, sagte Linsell. »Ich kann nicht genau sagen, was da oben vor sich geht. Die Soldaten sind unterwegs.«
Ian erreichte die Tür. Er hob eine Hand. Die Übrigen versammelten sich hinter ihm, hielten die Waffen bereit. Sid spannte sich an, pflanzte die Füße fest auf den Boden.
»Los!«, brüllte Ralph.
Ian warf sich seitlich mit der Schulter mit voller Wucht gegen die Tür aus Verbundmaterial und stieß sie auf. Helle Helmscheinwerfer gingen an, schickten breite Strahlen aus, die den Raum in wilden Winkeln beleuchteten. Schatten sprangen auf, wogten herum, als Ian ins Zimmer stürmte. »Keine Bewegung, Scheißkerl«, brüllte er.
Dies waren seine allerletzten Worte.
Das Monster wartete dort auf sie; es stand direkt vor der Tür. Es war genau so, wie es in der Sicherheitsakte der HDA, die Sid im Januar gesehen hatte, beschrieben war: so groß wie ein Mann und mit einer dunklen, runzligen Haut, die wie versteinertes Leder wirkte. Sein Arm schwang mit der Brutalität einer Keule herum, und fünf tödliche Klingenfinger schlitzten Ian gleich unterhalb des Helms und über der Schutzweste die Kehle auf, durchtrennten Fleisch, Muskeln, Sehnen, Venen, Adern, die Luftröhre – nur das Rückgrat erwischten sie nicht vollständig.
Ians Arme
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