Der unsichtbare Killer
befanden sich eine Fleece-Jacke und eine Sporthose, Net-Linsen-Gläser und ein Audio-Interface, auch etwas Geld und eine schäbige alte Kulturtasche mit Hygieneartikeln. Sie blinzelte die Kulturtasche überrascht an, während sie nach Socken suchte. Es war vermutlich der älteste Gegenstand, den sie besaß und den sie zusammen mit dem geschmuggelten Seifenstück von New Monaco mitgenommen hatte.
Dieses Leben war vorüber. Wenn sie jetzt daran dachte, kam es ihr vor wie die Erinnerung an ein Zone-Drama. Es war schwer zu glauben, dass sie einmal diese Milliardärs-Prinzessin gewesen war. Sie war damit fertig geworden, und das war ihr eigentlicher Triumph gewesen, da sie davon überzeugt war, dass viele andere ihres Typs versagt hätten. Sie hatte angefangen, sich ein echtes Leben aufzubauen, kein märchenhaftes, sondern ein angemessenes, das gewisse Möglichkeiten bot. Immerhin hatte sie Jahrhunderte Zeit, ihre Besitzanteile auf einem neuen Planeten zu einem Imperium auszubauen, das eines Tages sogar ihr Vater anerkannt haben würde. Und der süße, sentimentale Saul war dabei ein ziemlich angenehmer Begleiter.
Es war perfekt gewesen. Zwei Jahre hatten sie in frisch verheirateter Glückseligkeit verbracht, während die Farm aufblühte, sie Freunde fanden und sich in den meisten Nächten beeilten, nackt ins Bett zu kommen.
»Was zur Hölle ist das?«, fragte Alkhed.
Angela sah an ihm vorbei durch die Windschutzscheibe des Ambulanzwagens. Die Sonne draußen wirkte unnatürlich hell. Dann begriff sie, dass etwas anderes durch den bewölkten Himmel Oaklands strahlte. Die Bäume am Rand der Autobahn bekamen einen zweiten Schatten, der rasch um sie herumzugleiten begann. Etwas, das heller als eine Sonneneruption war, strömte vom Himmel herab nach Süden und versank hinter dem Horizont.
Sie sah Saul an, dem die Kinnlade heruntergefallen war.
Dann musste sie die Aufmerksamkeit ihrer E-I zuwenden. Die HDA warnte offiziell vor einem Zanthschwarm im New-Florida-System. Jedem Bürger wurden Daten über die bevorstehende Evakuierung übermittelt. Sie war zu schockiert, um irgendetwas zu sagen.
»Wir müssen umkehren«, sagte Saul. »Die … die Farm. Sie ist alles, was wir haben. Wir müssen zu … zu –«
»Tut mir leid, Mann, aber ich gehe nirgendwo mehr hin«, sagte Alkhed. »Ich hole jetzt mit diesem Bus meine Familie ab. Wir müssen weg von hier, runter von diesem Planeten.«
»Wir kehren nicht um«, sagte Angela, ohne auf Alkhed einzugehen, und starrte Saul direkt an. »Das ist ein Zanthschwarm. Verstehst du? In einem Tag wird nichts mehr übrig sein. Nichts! Es ist vorbei. Es gibt keine Farm mehr.«
Das Tageslicht veränderte sich erneut; ein heller Schimmer strich über den Himmel im Osten, wie ein Blitz in Zeitlupe.
»Was sollen wir tun?«, rief David; seine Stimme klang verzweifelt. »Wir müssen zu meinem Haus.«
»Das kannst du vergessen, Mann«, fauchte Alkhed. »Wir holen meine Familie ab.«
»Mein Mädchen ist schwanger.«
»Ich lass dich in der Nähe raus.«
»Du wohnst am anderen Ende der Stadt.«
»Hört auf, alle beide«, unterbrach Angela den aufkeimenden Streit. »Wir haben noch ein paar Tage Zeit, bevor es kritisch wird. Die Thunderthorns werden bald fliegen, und sie werden die Zanthrisse auslöschen. Das bringt uns genügend Zeit, um zum Gateway zu kommen.«
»Ich hole meine Familie«, sagte Alkhed störrisch.
»Du wirst uns zum Krankenhaus fahren«, sagte Angela. »Da stehen auch eure Autos. Ihr setzt euch da rein und fahrt zu euren Familien. Auf diese Weise bekommen wir alle, was wir wollen.«
»Nein«, wiederholte Alkhed störrisch. »Sie können mit uns mitfahren, wenn Sie möchten, es ist Platz genug, aber ich werde keine Umwege machen.«
»Du Arschloch, Mann«, schrie David.
»Ich lass dich in der Nähe raus, hab ich gesagt.«
Angela hatte keine Zeit für diese Scheiße, und Saul würde sich nicht als nützlich erweisen. Er würde weiter versuchen, vernünftig zu sein. Doch darüber waren sie bereits hinaus. Sie wusste genau, wie Leute reagierten, wenn ihr Leben in einem einzigen Moment zerfiel. Unten in ihrer Kulturtasche hatte sie ein paar Säckchen mit Drogen, falls sich die Lage im Krankenhaus einmal allzu sehr verschlimmern sollte und sie nicht mehr zusehen konnte, wie ihre Tochter von Schläuchen verschlungen wurde, während fünf Ärzte über sie gebeugt verzweifelt an ihr herumhantierten. Sie nahm drei Säckchen heraus, schwang den Arm herum und klatschte Alkhed alle drei
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