Der unsichtbare Killer
immer noch der Inbegriff der Erhabenheit.
Sie entfernten sich von ihm. Die Sargträger warteten gleich auf der anderen Seite der großen Doppeltür: Eva, Lorelle, Ari und Royce O’Rouke, der wieder einmal in der Lage war, den Transnet-Reportern seine alte Uniform zu präsentieren. Sid lächelte sie mit zusammengepressten Lippen an, und er spürte, wie Jacinta seine Hand ein bisschen fester umfasste. Er brauchte das. Es war schwieriger, als er es für möglich gehalten hätte, einfach den Mittelgang entlangzugehen und dabei den Leuten zuzunicken. Das war jetzt seine Arbeit: gesehen zu werden und Verbindungen zu knüpfen. Ralph Stevens und Sarah Linsell waren da, ganz hinten und so unauffällig, wie gute Geister es nur sein konnten. Jenson San, dieses kleine Miststück. Hayfa Fullerton, Reannha Hall, Tilly Lewis, als Erste auf der Kirchenbank, mit den Mitarbeitern von Market Street. Milligan und seine Leute saßen in der Bank dahinter und sorgten dafür, dass sie einbezogen waren. Sogar Commissioner Passam war da, wurde aber von allen ignoriert.
So viele Menschen, die er nicht kannte. Die Ian nie gekannt hatten. Wichtige Menschen, die gesehen werden wollten, wie sie ihren Dank ausdrückten und den Besten der Stadt in diesen unruhigen Zeiten ihre Unterstützung zeigten.
Tallulah war da, einige Reihen hinter der vordersten. Sie hielt den Kopf gesenkt, weinte still und versuchte, keine Szene zu machen. Links und rechts von ihr politisches Urgestein; steife Gesichter, die sich alle Mühe gaben, sie zu ignorieren. Selbst in diesem Elend mit von Tränen verschmiertem Make-up war sie atemberaubend.
Sid blieb stehen und hielt ihr eine Hand entgegen. »Komm mit«, sagte er freundlich.
Es gab einen kleinen Aufruhr, als sie sich an ein paar anderen Leuten vorbeiwand und zu ihm in den Mittelgang trat. Sid führte sie zur ersten Reihe, wo Ians unglückliche Eltern saßen.
»Nein«, begann Tallulah schwach.
»Du hast ihn gekannt. Er hat dir etwas bedeutet«, sagte Sid ruhig. »Es gibt nicht viele von uns. Wir müssen zusammenhalten.«
Sie lächelte mit herzergreifender Dankbarkeit und setzte sich neben ihn. Er schüttelte den Eltern die Hände, die er am Abend zuvor zum ersten Mal gesehen hatte. Es waren furchtbare neunzig Minuten in ihrem Hotelzimmer gewesen, in denen er ihnen von all dem Guten im Leben ihres Sohnes erzählt hatte, das er miterlebt hatte.
Jacinta tätschelte sein Bein. »Das ist der Mann, den ich geheiratet habe«, flüsterte sie.
Sid holte tief Luft. Seine E-I sagte ihm, dass der Sarg draußen angekommen war. Die Träger versammelten sich, um ihn vom Leichenwagen zu nehmen.
Der Chor vor ihm erhob sich. Es war das Zeichen für die zum Gottesdienst versammelte Trauergemeinde, aufzustehen. Sid erhob sich langsam; das Gesangbuch hielt er locker in der Hand. Die riesige Orgel begann, den Trauermarsch zu spielen.
Jacinta verschränkte ihre Finger mit seinen. »Vierzig Minuten«, sagte sie. »Dann ist alles vorbei. Ich werde es mit dir teilen.«
»Wirklich? Willst du all das hier haben?«
»In guten und in schlechten Zeiten. Das habe ich versprochen.«
Und damit wurde Sids Leben wieder erträglicher.
Die Limousine setzte sie um ein Uhr vor ihrem Haus in Jesmond ab. Es hatte sich als unmöglich erwiesen, früher wegzukommen. Sid konnte sich dem offiziellen Empfang im Gemeindezentrum von Newcastle nicht entziehen. Dabei wollte er gar nicht dabei sein, nicht angesichts all der Würdenträger und Wirtschaftsbosse und des Bischofs von Newcastle.
Die Mitarbeiter von Market Street hielten ihre eigene Totenwache in einem Pub unten am Quayside bei der Millenium-Bridge. Dort würde es echtes Lachen geben, gefühlvolle, weinerliche Erinnerungen, laute Musik, zu viel Bier und ein paar Drogen. Hoffentlich würde es in einer Schlägerei enden, und ein ganzer Haufen von ihnen würde schließlich für den Rest der Nacht in kühlere Zellen geworfen werden. Es hätte zu Ian gepasst. Ein angemessener Abschied für einen von ihnen.
Stattdessen mischte Sid sich pflichtgetreu unter die lebenden Toten, wo es nur Small-Talk gab, Chloe sich um die unbedingt erforderliche Vorstellerei kümmerte und von gelangweilten Vertragskellnerinnen warmer Weißwein serviert wurde. Während einer mitternächtlichen Schicht in den RRDs herumzufahren wäre besser gewesen als das. Zur Hölle, sogar sein Büro im sechsten Stock wäre dem hier vorzuziehen gewesen.
»Eine Tasse Tee, Schatz?«, fragte Jacinta.
»Ja, danke.« Kaum war die
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