Der unsichtbare Killer
ein 3er zu sinnvoller Detektivarbeit nicht fähig ist. So wie diese ganze Stadt ganz genau zu wissen meint, dass die 3er nicht die cleversten sind. Aber das ist ein nicht klein zu kriegender urbaner Mythos. In Wahrheit sind die Replikationsfehler niemals dieselben. Ari ist ein zuverlässiger Bursche, Sid, und er macht seine Arbeit so gut, wie er kann. Und gleichzeitig versucht er, sich vor den hinzukommenden Vorurteilen zu schützen.«
»Ist er Ihr Sohn?«
»Nein.«
»Ach, was soll’s. Okay, ich werd mir Mühe geben, nicht so ein Arschloch zu sein.«
»Sie sollen ihn ja nicht mit Samthandschuhen anfassen. Ich möchte nämlich auch keine positive Diskriminierung. Das wäre das Schlimmste, das Sie tun können. Haben Sie einfach nur Verständnis, mehr will ich ja nicht. Schlussendlich wird er seine Sache schon machen.«
Als der Helikopter aus dem Nebel herausflog, befanden sie sich nördlich von Newcastle. Sid meinte, Alnwick unter sich zu sehen – es war kein gar so großes Kunststück, das riesige alte Schloss am Rande der Stadt zu identifizieren. Inzwischen gingen sie bereits herunter.
Das Land war hier verwilderter. Viele Farmen waren an Grund-&-Boden-Investmentfirmen verkauft worden, die zügig Kapital aus den Naturalisierungsplänen der GE abschöpften und die Hecken und Weiden wuchern und wachsen ließen, wie es diesen gefiel. Sie flogen über tiefe Täler und bewaldete Hänge; auf der einen Seite war in der Ferne gerade noch die Küstenlinie zu erkennen und auf der anderen die sich nach Westen hin erhebenden Berge. An ihrem Zielort bestand zu keinem Zeitpunkt ein Zweifel: ein Herrensitz inmitten einer ausgedehnten Parkanlage mitsamt einem mäandernden Fluss und zwei durch einen Wasserfall voneinander getrennten Seen – alles gefroren. Das ganze Areal war von einem dichten Saum aus Bäumen umgeben, der Privatsphäre garantierte und vor neugierigen Blicken schützte. Man konnte an dem Anwesen vorbeigehen, ohne zu wissen, dass es da war.
Was das pyramidenartige Wohngebäude anging, so wurde dessen modernistische Fassade von riesigen, rhombenförmigen Glasfenstern gebildet, die in ein Gitterwerk aus dicken schwarzen Stahlbalken eingelassen waren. Auf Sid wirkte das Ganze wie der obere Teil eines New Yorker Wolkenkratzers, der abgeschnitten und mitten in die Landschaft gesetzt worden war. Er gehörte nicht wirklich in die Hügel und Auen Englands; doch wie jeder Milliardär vor ihm, wollte Augustine mit seinem Domizil etwas aussagen.
Das Interieur war gleichermaßen luxuriös. Mächtige Glastüren öffneten sich in einen breiten Bogendurchgang, der geradewegs zu dem zentralen Atrium führte. Angesichts der Solarbeleuchtung, die das spärliche, durch eine Glaskuppel hoch oben sickernde Tageslicht unterstütze, stellte sich das Gefühl ein, man betrete ein botanisches Gewächshaus. Riesige Farne und tropische Bäume wuchsen aus voluminösen Kübeln empor, und sattgrüne Blätter bewegten sich in den Luftströmen, welche die Sprühnebeldüsen des Feuchtraums erzeugten, sanft hin und her. Der größte Baum, direkt in der Mitte, hatte seltsam anmutende Äste, die sich zu engen, waagerecht vom Stamm wegwachsenden Spiralen ineinanderkringelten.
Sid brach in der Hitze augenblicklich der Schweiß aus. Er zog seine Jacke aus, während er gleichzeitig versuchte, irgendeine der Pflanzen zu bestimmen – die Blätter mit ihren filigranen dunklen Adermustern hatten irgendwie etwas Eigenartiges. »Was sind das da für Pflanzen?«
»Die hier?«, fragte Aldred leicht amüsiert. »Das sind natürlich St-Libra-Gewächse, Vertreter der berühmten Zebra-Botanik.«
»Aber die Blätter sind nicht schwarzweiß.«
Aldred schaute ihn mit merkwürdigem Blick an. »Äh, Sie wissen, dass es auf St Libra kein Tierleben gibt, oder?«
»Ja, sollte es jedenfalls nicht. Das Monster hingegen …«
»Vergessen Sie das Monster«, sagte Aldred. »Auf der Erde und den anderen besiedelten transräumlichen Welten nehmen Pflanzen Kohlendioxid auf und wandeln es in reinen Sauerstoff um – man nennt das Photosynthese.«
»Das hab ich auch schon gehört, Mann.«
»Aber auf St Libra gibt es keine Tiere, die Sauerstoff ein- und Kohlenstoffdioxid ausatmen können, aber daraus besteht die andere Hälfte der Gleichung. Also hat sich die Evolution etwas Schlaues einfallen lassen. Ungefähr die Hälfte von St Libras Pflanzen tut das, was wir gewohnt sind und erzeugt Sauerstoff, während die andere Hälfte den Prozess umkehrt. Wenn es zu einem
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