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Der unsichtbare Kreis

Der unsichtbare Kreis

Titel: Der unsichtbare Kreis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ulbrich
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Wie du willst! Es ist dein Leben. Meine Umwandlung beginnt jeden Augenblick. Aber das Wissen wird in dir nicht das erzeugen, was ihr glücklich sein nennt. Es wird dir die Zeit mit mir nehmen, vielleicht dein ganzes Leben. Mein wirklicher Körper wird grauenerregend auf dich wirken.« In ihrem Blick lag menschliche Traurigkeit.
    Wie ein Besessener nickte er. »Ja, ja, ja, ich will dich sehen.« Seine Stimme erstarb zu heiserem Flüstern. Nichts konnte ihn erschüttern, nicht die Gestalt des Teufels, nicht das Antlitz der Hydra. Die Unverrückbarkeit seiner Überzeugung nahm ihm fast den Atem. In tiefster Befriedigung preßte er die Hände ineinander. Er starrte mit brennenden Augen auf den Schirm. »Ich werde es wissen… Ich werde es wissen… Ich werde…«
    Stroganoff holte das Letzte aus der Maschine heraus. Pink saß schweigsam neben ihm. Ihre Blicke, bereit, tödlichen Gefahren zu begegnen, bohrten sich in die Dunkelheit. Weit vor ihnen tastete der Echostrahl den Weg ab, erfaßte bekannte und fremde Objekte, dirigierte die zerbrechliche Maschine.
    Weich setzte der Gleiter auf dem Plateau auf. Die beiden Menschen eilten der Station entgegen. Vor der Schleuse bemerkten sie eine Schleifspur im Schnee, die sich seitlich in die Dunkelheit verlor. Sie betraten die Eingangskammer, warteten ungeduldig, hasteten durch die Gänge.
    Sie fanden Djagganaut in der Kabine. Er nahm nichts von seiner Umgebung wahr. Schließlich hob er den Kopf und starrte sie mit leerem Blick an. Seiner Kehle entquollen unartikulierte Laute. Als sie ihm aufhelfen wollten, wehrte er mit panischem Entsetzen ab. Seine Gesten waren zittrig wie die eines Greises. Stroganoff entwand ihm, was er in der Hand hielt. Es waren zwei modische Damensandaletten. Als hätten sie ihm die Kraft verliehen, sich aufrecht zu halten, brach er plötzlich zusammen. Willenlos ließ er sich in die Rettungskapsel zwängen.
    Noch einmal begegnete Djagganauts stumpfer Blick dem des Gefährten. Er schrie auf. Seine Stimme versiegte in kindlichem Wimmern.
    Sie schlossen das Gehäuse. Einen Moment lehnte sich Stroganoff schlaff dagegen, dann raffte er sich auf. Lautlos rollte die Kapsel zwischen ihnen.
    Draußen klappten sie die Kufen aus. Ein Stück konnten sie ihre Last in jener absonderlichen Schleifspur entlangziehen. Der Schnee war hier fester. Schließlich verließen sie die Rinne und mußten nun alle Kraft aufwenden, das Gefährt durch die lockeren Kristalle zu bewegen.

Die letzte Nacht
    Langsam kroch die Kälte in seinen Körper. Er schwamm unter einer Eisdecke und suchte verzweifelt nach einem Loch. Kurz bevor er zu ersticken glaubte, erwachte er.
    Es war dunkel im Zimmer. Er schauerte vor Kälte zusammen und tastete nach dem Lichtkontakt.
Aus den Schlitzen der Klimaanlage wehte ein dunstiger Hauch. Rings um die schmalen Öffnungen hatte sich eine Reifschicht abgesetzt.
    »Volmar!« Vor seinem Mund zerflatterte eine Dampfwolke. »Volmar, wach auf!«
Der Freund fuhr aus dem Schlaf. Einen Moment saß er wie ein feister Buddha auf seinem Energiekissen, dann öffnete er die Augen und blinzelte mürrisch ins Licht. »Warum weckst du mich?« Er packte die herunterrutschende Bettdecke. »Herrgott, wie spät ist es?«
Die Uhr über der Bildscheibe zeigte null Uhr vierundzwanzig.
»Merkst du nichts?« fragte Randaik.
»Es ist kühl«, erwiderte Volmar, während er gähnte. »Ruf die Kontrollstelle an, sollen die Anlage reparieren.« Er ließ sich nach hinten fallen und zog die Decke über sich.
Zum ersten Mal beneidete Randaik den Freund um seine Fettleibigkeit, die ihn nicht nur vor der Kälte zu schützen schien, sondern auch sein phlegmatisches Temperament verursachte. Während er wütend die Ruftaste betätigte, sagte er: »Es sind doch wenigstens zehn Grad unter Null.«
    Die Bildscheibe blieb tot. Randaik sah hilflos zu Volmar hinüber. Mit der Wärme hatte ihr Zimmer jede Vertrautheit verloren. Die Möbel wirkten wie Eisblöcke. Selbst die Bilder an den Wänden belebten den Raum nicht mehr.
    »Es wird immer kälter«, sagte Randaik. »Wir haben nur leichte Sommerkleidung mitgenommen.«
»Draußen ist es warm«, murmelte Volmar unter der Bettdecke hervor. »Du solltest das Fenster öffnen.«
Doch die Automatik sprach nicht an, die Fensterwand blieb geschlossen. Selbst die Verdunkelung ließ sich nicht beseitigen.
Volmar tat, als hätte er nichts anderes erwartet. »Komische Nacht«, bemerkte er lakonisch. »Netter Urlaubsanfang.«
»Ich begreife nichts«, gestand

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