Der unsichtbare Kreis
schweigenden Wald, hinter dem Damm aus Steinen, unter der Menge der Menschen verbarg sich Keméle. Ihr Haar wehte über die Krone des Walles, ihre Augen leuchteten aus dem Dickicht des Gehölzes, ihr Antlitz tauchte auf aus der Flut der Unbekannten. Erneut erschreckte ihn seine Schwäche. Er lachte. Sie gehörte einer anderen Welt an. Hier war alles sachlich, leblos, ruhevoll. Der Schnee war fühllos wie der Himmel, erregte keine Resonanz, keine Erinnerung. Hier war kein schönes Leben, nur Leere und Tod.
Mitleidig schüttelte Stroganoffs Schatten den Kopf. Du redest dir etwas ein.
»Und wennschon«, flüsterte Djagganaut. »Wer tut das nicht.«
Du betrügst dich.
»Ich ahnte, daß du unbequem bist. Laß mich in Ruhe.«
Stroganoffs Gesicht entfloh in die Schwärze des Neptunhimmels. Djagganaut hätte es aufhalten wollen, doch seine Hand wischte nur über das glatte Fenster.
Die Basis stand am Fuße eines Gebirges, dessen Konturen sich matthell gegen den Himmel abhoben. Stellenweise war die Schneedecke kilometerdick und glich alle feinen Höhenunterschiede aus. Nur das Gebirgsmassiv ragte schroff und steil empor. Auf seinem höchsten Gipfel existierte eine Außenstation. Sie wurde von jeweils einem Mann besetzt. Die Ablösung erfolgte wöchentlich.
Djagganaut meldete sich als erster. Der Chef nickte erfreut. Er wußte, wie schwer es ist, für einen solchen Einsatz einen ersten zu finden.
Bevor er abflog, ging Djagganaut noch einmal zu Stroganoff. Der Gefährte blickte an ihm vorbei nach draußen und sagte ernst: »Du hast erreicht, was du wolltest. Du bist uns alle los.« Er kam vom Fenster her auf Djagganaut zu. Sein Gesicht lag im Schatten. »Du mußt wissen, was du tust.« Er packte ihn bei den Schultern. »Dreh nicht durch da oben. Es haben schon andere als du angefangen, Gespenster zu sehen.«
Für den Abschied war Djagganaut ihm dankbar. Hatte er etwas anderes erwartet? Eine Moralpredigt? Es war gut so.
Leise saugend schloß sich das Schott hinter ihm. Die Stahlwand sank zurück. Mit einem Schritt löste er sich endgültig von allem Gewesenen. Er meinte zu schweben. Der Schnee war weich, kaum spürbar. Der Anzug engte ihn nicht ein. Nichts Bedrückendes umgab ihn.
Pfeilschnell erhob sich der Gleiter, folgte dem Leitstrahl, der ihn sicher zur Außenstation führte. Mit dem Weiß blieben die Kuppeln zurück, versanken. Bald war nichts mehr unter ihm als dämmrige Schatten.
Um den Gleiter wirbelten dünne Schleier gefrorenen Methans. Die Sonne, winzig, fern, erhellte die Dunkelheit zur Düsternis. Das Außenthermometer zeigte minus 120 Grad Celsius.
Scharfgratige Felszacken säumten das Gipfelplateau. Die Station lag etwa in der Mitte. Hierher konnte man nur auf dem Flugweg gelangen.
Djagganaut verließ den Gleiter. In den Kopfhörern heulte der Wind. Er stemmte sich kräftig ab, seine Füße fanden sicheren Halt. Bis zum Rand des Plateaus legte er mehrere hundert Meter zurück. Von dort blickte er in die eintönige Weite des Planeten.
Er empfing sein Alleinsein wie ein Geschenk. Die Vorstellung, als unzerstörbarer Gigant den Kosmos zu beherrschen, überkam ihn wie Wollust. Hier würde er seine kleinliche Trauer von sich werfen, hier würden seine Sinne wieder lernen zu empfinden. Er lachte leise und drohte mit der Faust. Stroganoff, alter Gauner! Hab keine Angst. Das hier ist meine Welt, hier bin ich zu Hause, du besorgter Freund.
»Du hast dich umsonst geängstigt«, flüsterte er. »Ich bin stärker als der Neptun, ich bin stärker als ihr alle. Du bist ein Träumer, Stroganoff, ein armer Träumer. Du hast dein Leben verträumt.«
Während er zur Station zurücklief, überkam ihn eine unbändige Heiterkeit. »Wozu wolltest du mich verleiten, Stroganoff? Sollte ich glauben, mein Leben wäre ein Irrtum, mein Rückzug ein Fehler? Ich werde gestärkt zurückkehren, unzerstörbar. Ihr könnt mich nicht täuschen.«
Die Station bestand aus einer Zentrale, in der sämtliche Geräte und technischen Einrichtungen untergebracht waren, einer Wohnkabine, die trotz ihrer Einheitsausstattung bewohnbar wirkte, sowie einigen Lager- und Vorratsräumen. Alles in allem ergab sich ein geschlossener Komplex von zwanzig Meter Durchmesser.
Nach der Inspizierung ließ sich Djagganaut vom Automaten eine reichliche Mahlzeit bereiten und aß mit Appetit.
Seine Arbeit bestand in der Routineüberprüfung der gemessenen Daten und der Auswertung ihrer Ergebnisse. Zu diesem Zweck stand ihm ein leistungsfähiger Kybernet der achtzehnten
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