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Der unsichtbare Mond

Der unsichtbare Mond

Titel: Der unsichtbare Mond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Owen
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verkaufte die Story der Sun, weil Ottawa das erste westliche Reiseziel war, für das er in Neu Dehli einen Flug hatte buchen können.
    Meredith stellte gerade Recherchen für die Londoner Zeitung an, für die sie arbeitete, als sie auf die Yeti-Artikel stieß, und war weniger von deren Inhalt beeindruckt, als vielmehr von der Hartnäckigkeit ihres Verfassers. Er hatte sich allein in den Himalaja begeben, auf eine von allen verlachte Mission, war ans Ziel gelangt, nur um einen Flugzeugabsturz zu überleben und mehrere Monate lang eines der unwirtlichsten Terrains der Erde zu Fuß zu durchqueren. Das sprach Bände darüber, was für ein Mensch er war, und mit jemandem wie ihm wollte sie zusammenarbeiten. Sie begann damit, Fotografien für den allgemeinen Gebrauch bei der Ontario Daily Sun einzureichen. Bald darauf erhielt sie als europäische Korrespondentin regelmäßige Aufträge von Nestor Janes. Sie kehrte nach Wien zurück und bat erst dann um einen Vollzeit-Auftrag und eine feste Anstellung, als sie einen Kriminalbericht las, den Hjerold für die Zeitung geschrieben hatte. Es handelte sich um einen Bericht über die Ermordung von Wasily Strugatski.
    Als sie in den Büros der Daily Sun angekommen waren, unterbreitete Hjerold auf seine lebhafte Weise seinen Vorschlag. Während er sprach, saß Mr. Janes einfach nur da und kaute auf dem Ende seiner Zigarre herum. Nachdem Hjerold geendet hatte, zündete Mr. Janes die Zigarre an und wandte sich an Meredith.
    »Was halten Sie von der Idee dieses Idioten, Strugatski? Schließlich sind Sie die einzige Spitzenfotografin der Belegschaft, die tatsächlich noch mit ihm arbeitet.« Das war nicht ganz richtig, doch Mr. Janes musste ein wenig Autorität zur Schau stellen.
    »Eigentlich bin ich der Meinung, dass er da auf etwas gestoßen ist – vielleicht sogar auf etwas, das noch größer ist, als er glaubt.«
    »Wirklich?«, sagten die beiden Männer im Chor. Mr. Janes’ Zigarre hing einen Augenblick lang an seiner Lippe und fiel dann auf den Schreibtisch. Er blinzelte kurz und drückte sie fluchend aus.
    »Also gut, also gut – Gott vergebe mir, ich werde die Spesenabrechnung abzeichnen. Van Hassel sagte, Sie kommen mit Agenturberichten und Archivfotos aus. Wenn das stimmt, dann sind wir fertig. Wenn nicht…«
    »Reisespesen?«, schlug Hjerold behutsam vor.
    »Wenn nicht, dann werde ich darüber nachdenken – nachdenken, Van Hassel«, betonte er und richtete einen Finger auf Hjerolds Nase, »Reisespesen zu genehmigen. Aber nur – nur, Van Hassel –, wenn es nachweislich etwas gibt, das eine Reise wert ist. Etwas, das Sie nicht von hier aus oder über die Agenturen herausfinden können. Ich werde keine Flugtickets und Hotelzimmer für einen neuen Aufguss von Area 51 bezahlen.«
    »Wir könnten uns ein Zimmer teilen«, sagte Hjerold hoffnungsvoll.
    »Nein, können wir nicht«, entgegnete Meredith.
    »Einen Versuch war es wert.«
    »Raus!«, fauchte Mr. Janes.
     

     
    Auf der anderen Seite des Flusses genossen Hjerold und Meredith im Soame’s ein wunderbares Abendessen, das Fuji und Delna zubereitet hatten. Für die Gäste gab es sogar Kalbfleisch, ein ungewöhnliches Zugeständnis, doch ein ausgezeichnetes, gemessen an dem Heißhunger, mit dem Hjerold seine Portion verschlang. Meredith hatte noch nie zuvor darüber nachgedacht, doch Fleisch schien tatsächlich am besten zu sein, wenn es jung war – je jünger, desto besser.
    Nach dem Essen ließ sich die Gruppe mit etwas Kaffee in demselben Wohnzimmer nieder, in dem sie sich zuvor aufgehalten hatten. Nachdem sie Glen und Delna, die ins Kino gingen, eine Gute Nacht gewünscht hatten, nahmen sie ihr früheres Gespräch wieder auf.
    »Also, Meredith«, begann Tetsuo, »du sagtest, du hättest das Gefühl, der Tod deines Stiefvaters sei mehr als nur ein einfacher Mord gewesen – er könnte möglicherweise mit den Tatumständen selbst in Zusammenhang stehen und mit dieser ›Story‹, die du mit dem Wirren Harold verfolgst, ist das richtig?«
    »Ja.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Nun, ich weiß, womit Michael sich seinen Lebensunterhalt verdient hat. Er war, wie gesagt, Professor für vergleichende Literaturwissenschaft und hatte sich auf Studien der älteren und mittelalterlichen Literatur spezialisiert.«
    »Du meinst, so was wie Shakespeare?«, fragte Hjerold.
    »Kaum«, sagte Meredith. »In den Kreisen, in denen Michael sich bewegte, hielt man moderne Literatur für wertlos – und ›modern‹ fing für sie bei

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