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Der unsichtbare Turm

Der unsichtbare Turm

Titel: Der unsichtbare Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nils Johnson-Shelton
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nicht größer war als ein Daumen. Kay sprang auf und schrie: »Was ist das? Eine Art Spiel?«
    Merlin erhob sich, streckte seine Hand aus, damit Däumling hineinklettern konnte, und setzte sich wieder. Kay blieb stehen, ohne die Augen von dem kleinen Mann abzuwenden.
    Artie legte eine Hand auf den Arm seiner Schwester und sagte: »Kay, ich weiß, es ist verrückt, aber das ist Tom Däumling.«
    Kay ließ sich wieder in ihren Sessel fallen und sagte: »Der aus dem Märchen der Brüder Grimm oder was?«
    Däumling antwortete: »Derselbige, meine hochverehrte Dame, obwohl ich nie richtig zur Familie Grimm gehört habe. In Wahrheit war ich immer ein Freund von Merlin und stand König Artus höchstpersönlich sehr nahe. Zu deiner Information: Vor dir steht ein getreuer Ritter der Tafelrunde!«
    »Artie, bitte sag mir, was hier los ist«, bat Kay mit dünner Stimme.
    Artie lächelte und bat Däumling, es ihr an seiner Stelle zu erklären. Sehr vornehm und mit freundlicher britischer Würde erzählte Däumling Kay alles über ihr Abenteuer. Wie Artie Cleomedes aus dem Stein gezogen hatte und wie sie gemeinsam drei garstige kleine Drachen getötet hatten.
    Als er fertig war, fragte Kay leise: »Aber wie kann das alles sein?«
    »Na ja …«, begann Artie.
    Doch Kay hatte eine Eingebung. Sie unterbrach ihn, indem sie fragte: »Hat das irgendetwas mit dem zu tun, was Kynder dir gestern Abend erzählt hat? Wie du plötzlich in meiner Wiege lagst? Und über Mom?«
    Sie hatte es also gehört. Artie wurde das Herz schwer.
    »Meine liebe Kay, es hat alles damit zu tun!«, erklärte Merlin aufgeregt. »Darf ich dir bitte ein paar Dinge erzählen, die ich weiß? Zunächst werde ich dir erklären, warum ihr hier seid, und danach alles über die Anderswelt.«
    »Die Anderswelt«, wiederholte Kay tonlos. »Wie das Videospiel?«
    Artie erwiderte: »So ähnlich. Die wirkliche Anderswelt. Dort habe ich das Schwert bekommen.«
    »Ach so«, erwiderte Kay mit ausdrucksloser Stimme.
    Merlin unterbrach die beiden, indem er mit den Händen durch die Luft fuchtelte. Die Bibliothek veränderte sich. Um sie herum erblühte eine Welt aus riesigen Bäumen und mit violettem Himmel. Anscheinend würde Merlins Erzählung bildlich dargestellt werden.
    Merlin räusperte sich und begann zu erzählen: »Tom und ich haben früher in der Anderswelt gelebt. An einem Ort namens Sylvan.«
    »Den gibt es auch im Videospiel!«, rief Artie.
    »Ja, und du siehst ihn gerade in diesem Raum«, sagte Merlin.
    »Sylvan ist das Irland der Anderswelt, ihre Grüne Insel«, ergänzte Däumling sehnsuchtsvoll. »Ich habe viele wunderbare Jahre dort verbracht.«
    Merlin fuhr fort: »Die Anderswelt ist der Zwilling unserer Welt. Es ist keine von ihr getrennt existierende Parallelwelt, sondern eher eine versteckte Welt, die geschickt und unsichtbar über unsere und um sie herum gelegt ist. Sie hat vieles mit ihrer Schwesterwelt gemeinsam: Bäume, Pflanzen und Lebewesen; die Atmosphäre; den Planeten Erde und seine Position im Sonnensystem; die Zeit. In bestimmten Bereichen überschneiden sich die Welten. Wenn zum Beispiel Tiere hier aussterben, gehen sie hinüber in die andere Welt. Und in anderen Bereichen sind sie ganz unterschiedlich: Während wir unseren Strom aus Öl und Kohle gewinnen, kommt die Energie dort aus einer erstaunlich sauberen Quelle, die es nur auf jener Seite gibt; während wir hier zu viele Menschen haben, gibt es dort zu wenige; und während wir hier Wissenschaft und Fortschritt haben, gibt es dort Magie und Stillstand. In der Anderswelt habe ich alles über mein uraltes Handwerk gelernt und ich sehne mich danach, dorthin zurückzukehren.«
    »Wow!«, entfuhr es Artie und Kay gleichzeitig.
    »Ja, es ist eine bemerkenswerte Welt, die ich seit langer, langer Zeit nicht mehr habe sehen können. Und genauso lange habe ich in dieser Welt nicht ein einziges winziges Stück Himmel oder Wiese gesehen. Der Unsichtbare Turm ist nämlich mein Gefängnis. Ein geheimer Bund von bösen Hexen und Zauberern hat ein Komplott geschmiedet, um zunächst den echten König Artus zu ermorden und mich daraufhin einzusperren. Beinahe fünfzehnhundert Jahre habe ich hier verbracht, ohne eine Möglichkeit zur Flucht. Bis jetzt.«
    »Du meinst, bis Artie aufgetaucht ist?«, fragte Kay.
    »Genau. Was mich wieder darauf bringt, warum ihr hier seid. Artie, ich brauche deine Hilfe. Soll heißen: Du musst mir helfen, aus diesem Gefängnis auszubrechen.« Merlin machte eine Pause. Es war

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