Der unsichtbare Turm
Kynder von alldem zu erzählen. Er wird euch gar nicht richtig hören.«
»Was meinst du damit?«, fragte Artie.
»Ich habe euren Vater mit einem kleinen Zauber belegt. Keine Sorge, er ist ganz harmlos. Aber wir können ihn da nicht mit reinziehen. Es wäre zu hart für ihn. Das bedeutet für euch, dass ihr nun erst mal ziemlich große Macht über ihn haben werdet. Er wird alles tun, worum ihr ihn bittet, ohne Fragen zu stellen. Außerdem wird er viele der eigenartigen Dinge, die ihr tut, ignorieren, selbst wenn sie direkt vor seiner Nase passieren.«
»Wie zum Beispiel mit Cleomedes zu trainieren«, stellte Kay fest.
»Genau«, bestätigte Merlin.
Artie fügte hinzu: »Oder uns zum Serpent Mound zu bringen, wenn wir ihn darum bitten.«
»Richtig.«
Artie und Kay grinsten sich an. Das konnte lustig werden.
Merlin trug Däumling zurück zu seinem Lego-Pilz und streckte die Glieder. Artie und Kay waren plötzlich hundemüde. Sie entschieden, dass es Zeit war zu gehen. Also holten sie Kynder, gingen nach oben, verabschiedeten sich von Merlin und gingen zu ihrem Auto.
Bevor sie einstiegen, drehte sich Artie noch einmal um und versuchte, sich einen riesigen Turm vorzustellen, der über ihnen aufragte. Es fiel ihm nicht leicht. Ein Windhauch wehte über sein Gesicht, der viel zu kühl für den Sommer war.
Er spähte zum Eingang des Ladens, wo sie soeben den alten Mann zurückgelassen hatten, und suchte nach Anzeichen von ihm. Alle Lichter waren aus. Es war, als wäre der Zauberer niemals dort gewesen.
Kapitel 8
IN DEM ARTIE BERCILAK DEN GRÜNEN TRIFFT
Kynder war die ganze Fahrt nach Hause über sehr gesprächig, obwohl Artie und Kay kaum ein Wort sagten. Er sprach über Orchideen, das Gärtnern und Videospiele und führte sogar eine sehr colakoppmäßige Debatte über die Frage, ob Lichtschwerter besser als Phaser seien.
Um elf Uhr abends kamen sie endlich zu Hause an. Artie kletterte müde aus dem Wagen und ging sofort ins Bett. Am nächsten Tag wachte er erst auf, als es schon beinahe zwei Uhr nachmittags war.
Er ging hinunter in die Küche, wo Kay gerade das Handbuch über Schwertkampf studierte. Kynder ruhte sich hinten im Garten aus.
Artie öffnete den Kühlschrank und starrte hinein. Er war nicht sicher, was er wollte und ob er überhaupt hungrig war. Kay sagte: »Dieses Schwertbuch ist total abgedreht. Darf ich später mit Cleomedes üben?«
Artie schloss den Kühlschrank und drehte sich zu seiner Schwester um. »Klar. Es ist in meinem Zimmer. Wie lange bist du schon wach?«
»Seit Stunden. Konnte nicht richtig schlafen. Abgesehen von all den anderen Seltsamkeiten, habe ich vor allem diesen Däumling nicht aus dem Kopf bekommen.«
»Ja, den vergisst man nicht so leicht.«
»Allerdings. Und, wirst du dich im Spiel umsehen, wie Merlin gesagt hat?«
»Ich glaub schon«, antwortete Artie. Das lange Schlafen hatte Arties Entschlossenheit ein wenig geschwächt. Im Moment fühlte er sich wie der König von gar nichts.
Artie seufzte, trat zu seiner Schwester und sah in das Schwertkampfbuch. Es war voller Bilder in Gold und Silber, die einem praktisch von der Seite entgegensprangen. Er sah seine Schwester an und fragte: »Kay, bist du bereit zu alldem?«
Ihre Antwort kam prompt: »Du weißt, dass ich das bin.«
Artie nickte und entschied, dass er sich nun besser auch wieder bereitmachen sollte. Er ging hinunter ins Videospielzimmer und startete Anderswelt . Seine Spielfigur, Nitwit der Graue, war noch immer in Caladirth’ Höhle. Artie hatte keine Ahnung, wo er suchen sollte, also ging er zum Höhlenausgang. Und dort fand er etwas, das er überhaupt nicht erwartet hatte.
Direkt vor dem Ausgang – der sich in einem verschneiten Wald in der Nähe des Goch-Tals befand – stand ein bogenförmiges, blinkendes Schild, auf dem stand: »Willkommen in der Anderswelt«. Anstatt des schneebedeckten Waldes erstreckte sich dahinter eine hübsche Landstraße, deren Rand in den Farben des Spätfrühlings erblühte. Mitten auf der Straße stand eine Kettenrüstung.
Das Metall der Rüstung hatte die giftgrüne Farbe von »Slimy«-Spielschleim, und über ihren Brustpanzer waren mit Airbrush vor dem Hintergrund eines dunklen Nadelbaums ein Stechpalmenzweig und eine Streitaxt gesprüht, die zusammen ein Kreuz bildeten. Das Visier war hochgeklappt und im Helm war – nun ja – nichts.
Nitwit machte ein paar Schritte nach vorn, woraufhin die Rüstung ihre Hand zum Gruß hob. Sie sprach in einem tiefen,
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