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Der unsichtbare Turm

Der unsichtbare Turm

Titel: Der unsichtbare Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nils Johnson-Shelton
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Däumling und Kay kommen. Leider werde ich Euch nicht treffen können. Ihr werdet einen Kompass brauchen, um das Ostufer zu finden. Dort steht ein riesiger Kastanienbaum – glaubt mir, Ihr könnt ihn nicht verfehlen. An diesem Baum ist ein Kanu festgebunden.«
    »Großartig.«
    »Ihr paddelt genau zur Mitte des Sees. Die ist leicht zu finden, denn es schwimmt dort eine Boje.«
    »Verstanden.«
    »Nun, Däumling wird vielleicht nicht alles gutheißen, was ich Euch zu tun auftrage. In diesen Fällen tut so, als sei er Euer Vater und …«
    »… ignoriert ihn.«
    »Ganz genau. Und jetzt hört gut zu. Ihr werdet Folgendes in genau dieser Reihenfolge tun: Als Erstes nehmt Ihr Cleomedes und taucht seine Klinge vollständig in das Wasser des Sees. Sobald sie nass ist, dreht Ihr das Schwert um und haltet es an der Klinge. Keine Sorge, es wird Euch nicht schneiden. Das kann es nicht.«
    »Das ist cool.«
    »Ja, sehr. Haltet es so und klopft mit dem äußersten Ende – dem alleräußersten Ende – des Griffs an den unteren Teil der Boje. Tut dies dreimal im Abstand von jeweils drei Sekunden. Dann dreht Ihr Cleomedes wieder um, haltet es über dem Kopf, stellt Euch hin, ruft ›Excalibur!‹ und werft Cleomedes ins Wasser.«
    »Okay, verstanden.«
    »Fantastisch!«
    »Und was passiert dann?«
    »Es tut mir leid, mein Junge, meine Zeit ist abgelaufen. Bis zum nächsten Mal!«
    Und einfach so verzerrte sich das Bild und wurde wieder zum normalen Videospiel. Nitwit der Graue stand in einem dunklen, verschneiten Wald nahe des vereisten Goch-Tals. Caladirth’ Höhle lag vor ihm und ein großer Eisbär erhob sich hinter einem Felsbrocken zu seiner Linken. Es war nur ein mittelgroßes Tier – Nitwit hatte schon Dutzende davon erlegt. Artie fummelte reflexhaft am Controller herum und tötete den Bären. Dann stellte er das Spiel auf Pause, setzte sich auf den Boden und atmete tief durch, während seine Gedanken rasten.

Kapitel 9
    IN DEM KÖNIG ARTIE UND SIR KAY EIN BISSCHEN
SCHWERTKAMPF ÜBEN
    Die folgenden Tage verbrachten Kay und Artie damit, abwechselnd mit dem Schwert zu trainieren und Kynder herumzuscheuchen. Merlin hatte recht gehabt – in seinem verzauberten Zustand hatte Kynder mehr etwas von einer Marionette als von einem Vater.
    Mit ihm Scherze zu treiben war ein Riesenspaß. Sie brachten ihn dazu, im Garten eine halbe Stunde lang Kopfstand zu machen. Sie sagten ihm, sie würden eine Weile ihre Aufgaben im Haushalt nicht erledigen können und er müsse für sie einspringen. Sie ließen ihn für sich singen und tanzen und jeden Tag Schoko-Pfannkuchen mit Sprühsahne zum Abendessen machen.
    Sie verlangten außerdem, dass er ein paar Gegenstände für sie hinten im Garten aufstellte: eine mannsgroße Puppe aus Jutesäcken, alten Laken und Holz; mit Wasser gefüllte Plastikkrüge und Flaschen; und Dutzende Strohballen. All dies war dazu da, von Cleomedes in Kleinteile zerlegt zu werden.
    Dank des Buches erfuhren Artie und Kay einiges über ihre neue Waffe: dass sie ein Ritterschwert war, besser bekannt als Breitschwert; dass sie zweischneidig war und eine doppelte Hohlkehle hatte, was bedeutete, dass entlang ihrer Klinge zwei Rillen, oder »Blutkanäle« verliefen; dass ihr lederumwickelter Griff Heft genannt wurde; dass die Querstange zwischen Griff und Klinge Parierstange hieß; und dass das schwere muschelförmige Ding am Ende des Hefts der Knauf war.
    Es war ohne Zweifel das Coolste, das Artie und Kay jemals gesehen hatten.
    Das Buch lehrte sie Angriff und Verteidigung, wie sie sich richtig aufstellten und wie sie ihre Füße bewegen mussten, um ihren Gegner möglichst wirkungsvoll hinzumetzeln, ohne dieses Schicksal selbst zu erleiden.
    Und dann gab es all das, was Cleomedes Artie und Kay ganz von alleine beibrachte.
    Zum Beispiel hatte Cleomedes Gefühle und konnte sie an denjenigen weitergeben, der es in der Hand hielt. Wenn es durch den Jutestoff schnitt, konnte man jeden Faden des Sacks spüren, den die Klinge durchtrennte. Wenn es die Flaschen zerschnitt, wusste man, ob das Wasser darin warm oder kalt war. Und wenn es durch Stroh glitt, konnte man fühlen, ob es Roggen- oder Weizenhalme waren.
    Eine weitere tolle Eigenschaft des Schwerts war, dass sie niemals müde wurden oder ihnen die Muskeln schmerzten, egal wie lange sie trainierten.
    Es war, als würde es ihnen Energie geben – je mehr sie übten, desto besser fühlten sie sich.
    Und dann kam noch hinzu, dass es durch alles, aber wirklich alles

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