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Der unsichtbare Turm

Der unsichtbare Turm

Titel: Der unsichtbare Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nils Johnson-Shelton
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dideldumartig. Im Gegenteil, er schien jetzt eher respekteinflößend. »Ruf Lavery an und kündige ihm vier Besucher an. Und ein großes Kaninchen.«
    Larry gehorchte seinem Befehl und verschwand im Wachhäuschen. Der andere Posten sprach weiter mit Däumling und fragte: »Ich vermute, du weißt, wie ihr zur Bibliothek gelangt?«
    Däumling lächelte. »Ja. Wenn ich mich recht erinnere, kann man sie nicht verfehlen.«
    »Nein, das kann man nicht.«
    Mit diesen Worten ging der größere Wachmann zum Haus zurück und ließ sich schwer in einen gelben Plastikgartenstuhl fallen. Er nahm ein Buch, fing kurz an zu lesen und sah dann Artie und seine Ritter an, die ihn neugierig beobachteten. Er kniff die Augen zusammen und blaffte: »Also, fort mit euch!«
    Und so gingen sie weiter.
    Viele der Gebäude von Veltdam – die von normalen Spitzdachhäusern bis hin zu schlumpfartigen Pilzen reichten – schienen leer zu stehen. Artie vermutete, dass es etwas damit zu tun haben könnte, was Merlin gesagt hatte – dass nicht mehr viele Leute in der Anderswelt lebten. Es war traurig – Veltdam war eine hübsche kleine Stadt, doch sie war auf dem besten Wege zu verfallen und in Vergessenheit zu geraten.
    Doch dann erreichten sie die Bibliothek, die alles andere als verfallen und vergessen war.
    Die Große Bibliothek von Sylvan war in einer ausladenden Ulme untergebracht, deren Stamm einen Durchmesser von nicht weniger als fünfzehn Metern hatte. Er war zu einem Haus umgebaut worden und hatte Fenster und Türen, ähnlich wie die Fassade von Arties Exil-Königshof. Dass es sich ganz offensichtlich um die Bibliothek handelte, wurde zum einen durch das goldene Schild deutlich, auf dem Bibliothek stand. Zum anderen erinnerten die riesigen Raubkatzen, die die Bibliothekstreppe bewachten, an die berühmten Löwen vor der Bibliothek von New York, die die Kingfisher-Kinder einmal gemeinsam mit Kynder besichtigt hatten.
    Nur dass diese Katzen lebendig waren. Und wie bei Bedeveres Miezekatze handelte es sich um Säbelzahntiger.
    Sobald er sie sah, sagte Bedevere: »Oh, seht nur! Sind sie nicht niedlich?«
    »Beddy, das sind doch keine Kuschel-Kätzchen aus dem Tierheim!«, rief Kay aus.
    Bedevere legte eine Hand auf Kays Schulter. Sie errötete, als er sagte: »Ich weiß ja, dass sie jedem von uns problemlos den Kopf abbeißen könnten, aber schau sie dir doch an!« Die beiden Tiere blinzelten und leckten sich die riesigen Pfoten. Kay musste sich eingestehen, dass sie tatsächlich ziemlich niedlich waren.
    Sie konnten die Tiger jedoch nicht länger bewundern, denn nun kam ein aus einer Person bestehendes Begrüßungskomitee zwischen ihnen die Treppe herab.
    Es war ein sehr großes und sehr dünnes Wesen, das nur ein Waldelf sein konnte. Seine langen, zu einem Zopf gebundenen Haare schimmerten in allen Nuancen bunten Herbstlaubs; seine Haut leuchtete wie frisch geschnittenes Pinienholz und seine Augen glänzten in den satten Farben von knospenden Frühlingsblättern. Seine Lesebrille hatte er von der langen Nase auf die breite Stirn geschoben. Er trug eine blaue Jeans, braune Slipper und ein ausgewaschenes grünes T-Shirt, auf dem stand: »Wähle deine Waffe!« Darunter war eine Reihe Dungeons-&-Dragons-Würfel verschiedener Form und Bezeichnung abgebildet.
    Kay konnte es kaum glauben. Zum einen wunderte sie sich, wo er wohl dieses T-Shirt herhatte. Die Anderswelt-Leute lebten doch schon in einer Dungeons-&-Dragons-Welt – und dazu spielten sie auch noch das gleichnamige Fantasy-Spiel? Zum anderen dachte Kay, dass sie da wohl die ironischste Kombination von T-Shirt und T-Shirt-Träger vor sich hatte, die es geben konnte. Sie lachte erstickt und flüsterte Artie zu: »Na, das ist ja mal ein richtig abgedrehter Colakopp!«
    Trotzdem sah er irgendwie cool aus – immerhin war er ein Elf. Und darüber bestand kein Zweifel, wegen des einen Merkmals, dass alle Elfen verrät: seine Ohren. Sie waren so lang und spitz, dass sie wie Hörner über seinen Kopf hinausragten.
    Als die Ritter auf ihn zugingen, lächelte er auf eine Art, die einladend und finster zugleich war.
    »Guten Tag, Freunde! Ich bin Lavery. Im Namen von ganz Veltdam heiße ich Euch herzlich willkommen!« Er streckte ihnen die Hände hin und begrüßte jeden Einzelnen. Kay war als Letzte dran. Als Lavery zu ihr kam, sagte er in einem Tonfall, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ: »Hallo, Schwester Kay.«
    Zum vielleicht ersten Mal in ihrem Leben fiel Kay keine

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