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Der unsichtbare Turm

Der unsichtbare Turm

Titel: Der unsichtbare Turm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nils Johnson-Shelton
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der Elf sagte nichts.
    Das war auch nicht nötig. Irgendwo unter ihren Füßen explodierte etwas und etwa fünfzehn Meter von ihnen entfernt flog ein Teil der Grasfläche in die Luft wie eine große Falltür, die aufgestoßen wird. Rauch stieg aus der im Boden klaffenden Wunde. Und irgendwoher aus dem Rauch drangen wutentbrannte Würgegeräusche und Rülpser.
    Däumling ließ den Elf liegen und eilte zu Artie, der für einen Moment wie gelähmt war.
    »Ich glaube, wir stecken in Schwierigkeiten«, sagte Däumling in unheilverkündendem Ton.
    Der Rauch verzog sich. Was, neben einem Haufen aufgeworfener Erde, übrig blieb, war ein Wildschwein von der Größe eines Elefanten.
    »Ja. Wir sind in Schwierigkeiten«, bestätigte Däumling sich selbst.
    Das Fell des Tiers war drahtig und glänzend, seine Füße waren blutgetränkt und seine brachialen Hauer sehr viel länger, als sie normalerweise hätten sein dürfen. Es sah aus wie eine wahre Ausgeburt der Hölle.
    Bis auf die Tatsache, dass aus irgendeinem Grund ein kleiner Silberkamm auf seinem Kopf steckte, wie eine Schleife auf dem Kopf eines niedlichen kleinen Schoßhündchens.
    »Ich habe ein ganz blödes Gefühl, Leute«, sagte Kay irgendwo hinter ihnen.
    »Was ist das?«, fragte Artie, während er und Däumling langsam rückwärtsgingen.
    Däumling räusperte sich und sagte leise: »Das ist Twrch Trwyth.«
    Lavery lachte immer noch vor sich hin.
    »Das ist walisisch für ›göttlicher Eber‹«, fuhr Däumling fort. »Nur der eine Jagdhund kann …«
    Ehe Däumling seinen Satz beenden konnte, stürmte der Eber los.
    Wobei losstürmen nicht ganz das richtige Wort ist. Es war eher so, als würde er in einer verschwommenen, schwirrenden Bewegung von einer Stelle zur anderen teleportiert werden.
    Bevor einer von ihnen reagieren konnte, war er schon an Artie und Däumling vorbei, stand über Kay und Bedevere und riss seinen abscheulichen Kopf in die Höhe.
    Bloß dass Kay nicht mehr neben Bedevere auf der Erde hockte – sondern hoch oben in der Luft zwischen den Zähnen des Ebers hing und aus Leibeskräften schrie.
    Schneller, als er es jemals für möglich gehalten hätte, rannte Artie zu Kay und zog Däumling mit sich.
    Der Eber war versessen darauf, Kay zu fressen und nahm kaum Notiz von Artie, der jetzt unter seinem Kinn stand.
    Ein Tropfen vom Blut seiner Schwester traf Artie auf den Kopf.
    Sie mussten jetzt wirklich, wirklich los.
    Artie riss Excalibur in die Höhe, rammte es dann bis zum Schaft in den Boden und schrie: »Lunae lumen!«
    Däumling griff nach Arties Bein, Artie berührte den Fuß seiner Schwester und Bedevere streckte seinen verbliebenen Arm aus und umfasste Arties Hüfte.
    Vorpal, der noch immer den Tiger bewachte, würde es nicht schaffen.
    Das Mondtor ging sirrend auf und nahm sie mit. Es würde sie zu Merlin bringen, wo, so hoffte Artie, seine Ritter geheilt werden würden.
    Das Letzte, was er sah – neben dem elektrischen Glühen des Mondtors und an den tropfenden Lefzen des Monsterschweins vorbei – war die schwache Silhouette eines großen grünen Drachen, der hoch über ihnen am violetten Anderswelt-Himmel durch die Luft flog.

Kapitel 23
    IN DEM DIE REISEGRUPPE FESTSTELLT,
DASS ES NIRGENDS SO SCHÖN IST,
WIE BEI EINEM ZAUBERER ZU HAUSE
    Das Mondtor fiel zu, sein Licht zuckte über ihre Körper wie Stromschläge.
    Sie waren in einen schlichten Raum mit Steinwänden transportiert worden. Excalibur steckte bis zum Schaft im erdigen Boden. Neben dem Griff des Schwerts lag der Stein, den der Zauberer für ihre sichere Rückkehr dort platziert hatte.
    Doch verständlicherweise fühlte sich Artie, angesichts seiner blutenden Schwester und des einarmigen Ritters, noch nicht wirklich in Sicherheit.
    Er brüllte: »Merlin!«
    Sofort kam der Zauberer hereingerannt. Artie bemerkte, dass mitten auf seiner Stirn ein neues Tattoo prangte: ein dicker schwarzer Kreis mit einem Durchmesser von etwa fünf Zentimetern.
    »Wo seid ihr so lange gewesen?«, blaffte der Zauberer. Doch als er Kay bluten und den verstümmelten Bedevere sah, schrie er auf: »Oh, verdammt!«
    Merlin handelte schnell. Er nahm Artie Excaliburs Scheide ab und schwebte in die Luft, wobei er die Scheide vor sich hielt. Dann begann er sich wie ein Kreisel zu drehen, bis er zu einer konturenlosen grauen Säule verschwamm und anfing zu leuchten – erst blau, dann grün, dann gelb. Plötzlich wurde alles weiß. Artie verlor die Orientierung und ihm wurde schwummrig. Als das Licht

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