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Der Untergang

Der Untergang

Titel: Der Untergang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim C. Fest , Bernd Eichinger
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sein.
      Gegen halb elf Uhr entstand plötzlich Bewegung im Konferenzzimmer. Eine Ordonnanz kam und meldete, daß über einen zufällig abgehörten Kurzwellensender die Nachricht vom Tod Mussolinis eingegangen sei. Zwei Tage zuvor war der Duce, zusammen mit seiner Geliebten Clara Petacci, in einer Ortschaft am Comer See aufgegriffen und am folgenden Tag ohne lange Umstände erschossen worden. Doch größere Sorge noch machte Hitler das Nachspiel, von dem die Rede war. Verschiedentlich hatte er die Befürchtung geäußert, von den Sowjets nach Moskau geschafft und in einem »Affenkäfig« dem wütenden Pöbel als »Panoptikumsfigur« dargeboten zu werden. Jetzt weckte und verstärkte Mussolinis Ende dieses Schreckbild. Denn die Leichen waren nach Mailand geschafft und an einer Tankstelle auf dem Piazzale Loreto kopfüber aufgehängt worden, wo eine schreiende Menge sie geschlagen, bespuckt und mit Steinen beworfen hatte.
      Die Meldung legte sich bedrückend auf die noch immer ins Leere wartende Runde. Bereits am Abend hatte Hitler, als rechne er doch wieder mit dem Entsatz der Hauptstadt, einen Funkspruch an Jodl absetzen lassen, der aus fünf verzweifelten Fragen bestand: »Es ist mir sofort zu melden: 1. Wo sind die Spitzen von Wenck? 2. Wann greifen sie weiter an? 3. Wo ist die 9. Armee? 4. Wohin bricht die 9. Armee durch? 5. Wo sind die Spitzen von Holste?«
      Als Stunde um Stunde keine Antwort kam und der Rest an Zuversicht in Einsilbigkeiten dahinschwand, erhob sich Hitler plötzlich und ging ins Konferenzzimmer hinüber, um sich von seinen engeren Mitarbeitern zu verabschieden. Goebbels hatte sich mit seiner Frau eingefunden, Burgdorf und Krebs waren da, Mohnke, Rattenhuber und Hewel, ferner die Sekretärinnen, Hitlers Diätköchin, Fräulein Manziarly, sowie einige höhere SSDienstgrade, zwanzig Personen insgesamt. Hitler gab jedem die Hand und machte dem einen oder anderen gegenüber auch eine persönliche Bemerkung, doch waren bei dem Lärm der Maschinen, die den Bunker mit Strom und Frischluft versorgten, seine fast geflüsterten Worte kaum zu verstehen. An alle gewandt, sagte er, daß er den Russen nicht in die Hände fallen wolle und sich folglich entschlossen habe, seinem Leben selber ein Ende zu setzen. Er entbinde jeden der Anwesenden von seinem Eid und hoffe, daß sie die englischen oder amerikanischen Linien erreichten. Zu Rattenhuber äußerte er, er bleibe an dem ihm vorbestimmten Ort in der Reichskanzlei und werde »hier ewige Wache« halten.
      Gegen drei Uhr nachts traf endlich die lang erwartete Antwort von Keitel und Jodl ein. In Anlehnung an Hitlers Fragenkatalog gab sie in vier nüchternen Sätzen den verlangten Bescheid: »1. Spitze Wenck liegt südlich Schwielowsee fest. 2.12. Armee kann daher Angriff auf Berlin nicht fortsetzen. 3. 9. Armee mit Masse eingeschlossen. 4. Korps Holste in die Abwehr gedrängt.« Hinzugefügt war ein Satz, der die Aussichtslosigkeit der Gesamtlage beschrieb: »Angriffe auf Berlin an keiner Stelle mehr fortgeschritten.«
      Am folgenden Morgen, dem 30. April, setzte bereits um fünf Uhr in der Frühe schweres Artilleriefeuer ein und holte die Bunkerbewohner aus dem Schlaf. Rund eine Stunde später sah sich Mohnke in den Tiefbunker bestellt. Übernächtigt, in Morgenmantel und Hausschuhen, saß Hitler auf dem Stuhl neben seinem Bett. Er blickte ruhig auf und fragte, wie lange noch gehalten werden könne. Als Mohnke entgegnete: Nicht länger als ein paar Stunden, da die Russen rundum bis auf einige hundert Meter herangekommen, wenn auch für den Augenblick zum Stehen gebracht seien, meinte Hitler, die westlichen Demokratien seien dekadent und würden den unverbrauchten, straff geführten Völkern des Ostens unterliegen. Dann gab er Mohnke die Hand und sagte: »Alles Gute! Ich danke Ihnen. Es war nicht nur für Deutschland!« Um sieben Uhr kam Eva Braun zum Bunkerausgang, wie einer der Wachposten überliefert hat, um, wie sie sagte, »noch einmal die Sonne (zu) sehen«, und einige Zeit darauf erschien, schattenhaft im Halblicht des Treppenaufgangs, auch Hitler selber. Doch als der Beschuß wieder stärker wurde, machte er noch auf einer der oberen Stufen kehrt und verschwand in der Dunkelheit.
      Gegen Mittag trat die Lagekonferenz zum letzten Mal zusammen. General Weidling trug vor, daß die sowjetischen Truppen den Sturm auf den Reichstag eröffnet hätten und einzelne Vorhuten bereits in den Tunnel an der Voßstraße, in unmittelbarer Nähe der

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