Der Untergang der Götter - Die Rückkehr (German Edition)
sich und schimpfte sich selbst ob dieser Gedanken eine törichte Närrin. Das Wetter musste an ihren Gedanken schuld sein; der Sturm, der draußen durch die Gassen tobte, ließ sie Dinge ahnen, die gar nicht vorhanden waren. Und doch, etwas schien sich anzubahnen; etwas, das sie in ihrem Innersten schon länger ahnte, aber einfach nicht in Worte zu fassen in der Lage war.
Unwillkürlich musste sie an den Fremden denken und das Gefühl von Angst verstärkte sich. Sie wusste selber nicht, weshalb sie ihm half; ihm, der von den Wächtern und den Priestern gesucht wurde! Ihm, von dem sie nicht wusste, wer – oder was – er war! Wenn man sie erwischte – sie würde ohne Gnade zur Rechenschaft gezogen werden.
Immer wieder musste sie an den Vorfall vor der Schenke zurückdenken, an das, was er dort getan hatte. Es war nicht normal, er war nicht normal. Ihre ganze Welt war aus den Fugen geraten, denn sie wusste einfach nicht mehr, was sie denken sollte. Doch den Mut, den Fremden darauf anzusprechen, hatte sie nicht.
Nochmals schüttelte sie sich und machte sich dann daran, die restlichen Tische abzuwischen. Das würde sie auf andere Gedanken bringen, und danach würde sie sich wohl oder übel durch den Regen nach Hause aufmachen müssen.
***
Czenon war nicht weit gekommen. Schon kurz nach seinem Eindringen in den Serapis war er einer Gruppe Priester in den Weg gelaufen, die ihn rasch überwältigt hatten.
Nach einem kurzen Verhör hatten sie ihn in einen dunklen Raum gebracht und zu Boden geworfen. Er vermochte es nicht aufzustehen, denn er war an Händen und Füßen gefesselt, also hatte er sich damit begnügt, sich in eine halbwegs angenehme Position zu bringen.
Nachdem er eine Zeit lang auf diese Weise verbracht hatte, ging ohne Vorwarnung die Tür auf und Chrenar, der Hohepriester Thuraans, stand vor ihm. Natürlich kannte Czenon ihn, jeder in Boram tat das. Nachdenklich musterte der Priester ihn von Kopf bis Fuß, als wäre Czenon ein Insekt, über dessen weitere Existenz kalt entschieden wurde.
»Wie ich erfahren habe, bist du in den Serapis eingedrungen und hast zwei meiner Priester angegriffen. Und als Grund dafür gibst du an, deine Tochter befreien zu wollen?«
Czenon blickte zum Priester auf, doch in dessen Gesicht spiegelte sich keinerlei Regung, weder Befriedigung noch Mitgefühl, so als stände ein Toter vor ihm.
»So ist es«, antwortete Czenon abweisend. Er wusste, dass er verloren war, gleich was er antwortete.
»Hast du dem Fremden ausgerichtet, was dir aufgetragen wurde?«
»Ja«, brummte Czenon widerwillig. »Doch er wird nicht kommen.«
Chrenar trat einen Schritt auf ihn zu. »Was hast du gesagt? Er wird nicht kommen?«
Jetzt lachte Czenon, doch es war ein bitteres Lachen. »Er hat es abgelehnt, sein Leben gegen das meiner Tochter zu tauschen. Er hat es einfach abgelehnt.«
Das Gesicht des Hohepriesters verdüsterte sich. Sein Plan, den Fremden auf diese Weise herzulocken, schien gescheitert zu sein. Dabei war er so sicher gewesen, dass er kommen würde.
»Wo ist er jetzt?«, wollte er wissen und Zorn blitzte in seinen Augen.
Doch Czenon zuckte mit den Schultern und starrte auf den Boden. »Er wird sich irgendwo in Boram verkriechen, wie er es schon die ganze Zeit getan hat.« Dann wandte er den Blick zum Priester. »Ihr könnt also meine Tochter gehen lassen – sie ist unschuldig und hat mit dem Mann, den ihr sucht, nichts zu tun.«
»Niemand ist unschuldig vor den Augen der Götter«, entgegnete Chrenar, in dessen Kopf die Gedanken tobten. »Sie ist bereits bei Thuraan und erfüllt ihr Schicksal.«
»Nein!«, schrie Czenon entsetzt auf. »Nein!«
Jetzt blickte Chrenar fast mitleidig auf Czenon, der in sich zusammengesunken war.
»Und du alter Mann denkst, du hättest deine Tochter deinem eigenen Gott entreißen können? Ihm, vor dem du nur ein Staubkorn bist und der dich mit einem einzigen Gedanken vernichten kann?« Jetzt stand doch ein Anflug von Unglauben in den Augen des Hohepriesters.
»Ich hätte es zumindest versucht, denn er ist nicht mein Gott!«, antwortete Czenon zornig.
Chrenar schreckte bei diesen Worten sichtlich zusammen. »Du lästerst deinen Gott? Du lästerst Thuraan? Schon allein dein Eindringen in diesen heiligen Ort rechtfertigt den Tod!« Wut sprach aus seinen Worten. »Doch deine Lästerung wird dazu führen, dass es weitaus schlimmer für dich werden wird. Der Tod ist manchmal nicht Strafe genug, Frevler!«
Damit drehte er sich um und
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