Der Untergang der Götter - Die Verbotenen Wege (German Edition)
kannte. Er deutete nach vorne, dann sah auch Mela es: vor ihnen gab es eine schmale Brücke, die auf die andere Seite führte und aus einzelnen Stufen bestand. Aber als das Licht der Runen verlöschte, konnte man die Brücke nicht mehr sehen.
»Das ist unser Weg auf die andere Seite.« Eneas' Stimme wirkte fast unbeteiligt.
»Bei den Göttern!«, flüsterte Lal, die bis an den Rand getreten war. »Das schaffe ich nie!«
Ihre Stimme zitterte und dann bemerkte Mela, dass ihre Beine das Gleiche taten. Und auch ihr selber ging es kaum besser, denn was sie gesehen hatte, wirkte mehr als unheimlich.
»Ist dieser Weg sicher?«, fragte Orcard mit einem Gesicht, das keinen Rückschluss auf seine Gefühle zuließ. »Ich meine, diese Stufen scheinen gar nicht wirklich da zu sein.«
»Es ist der einzige Weg«, war alles, was Eneas antwortete.
Orcard lachte trocken. »Worauf warten wir dann noch?«
Eneas nickte und wandte sich der Gruppe zu. »Blickt stets nach vorne und macht Schritt für Schritt. Dann könnt ihr es schaffen.«
»Dann können wir es schaffen?« Lals Stimme zitterte vor Angst. »Das klingt, als wäre es gefährlich!«
»Alles hier ist gefährlich, das solltest du inzwischen wissen«, kam Mela Eneas zuvor.
Ihr war mulmig zumute, aber gleichzeitig spürte sie ein großes Vertrauen zu Eneas, das ihr über ihre Unsicherheit und Angst hinweg half. Sie hoffte, damit den anderen Frauen Mut zu geben, aber wenn sie in ihre Augen, vor allem die Lals schaute, war sie sich alles andere als sicher.
»Ich gehe als erster, ihr folgt mir. Tut genau das, was ich auch tue, dann werden wir alle unbeschadet hinüber kommen.«
Eneas' Stimme durchschnitt ihre Gedanken und Mela versuchte sich auf den Weg, der vor ihnen lag, zu konzentrieren. Sie durfte sich jetzt nicht ablenken lassen.
Eneas verharrte kurz, dann entstand eine leuchtende Rune direkt vor ihm und schoss nach oben, von wo aus sie ein grelles Licht verstrahlte, das sie bis fast zur gegenüberliegenden Seite blicken ließ. Eneas trat bis an den Rand des Abgrunds, dann setzte er seine Fuß direkt hinein – und trat auf eine kleine, kreisrunde Stufe, die ihm Halt bot. Ein diffuses, gelbliches Licht leuchtete rings um seinen Fuß, da wo er auf Widerstand traf.
Sein zweiter Fuß folgte und wieder erschien wie von Zauberhand eine leuchtende Stufe. Eneas blieb stehen und bedeute Mela, ihm zu folgen. Noch ein paar Schritte ging er, wobei immer das gleiche geschah. Die Stufen leuchteten auf, verloschen jedoch wieder, wenn der Fuß nicht mehr auf ihnen stand.
Mela schaute ihm voller Zweifel hinterher. Sich zu sagen, dass da eine Brücke war, war etwas völlig anderes, als sich ihr tatsächlich anzuvertrauen. Vor allem, da man sie nicht sehen konnte!
Sie schloss die Augen, presste die Hände zusammen und trat nach vorne. Es war ein entsetzliches Gefühl, ihren Fuß scheinbar ins Nichts zu setzen, aber in dem Augenblick, da sie sich schon fallen sah, fühlte sie etwas Hartes unter ihrem Fuß und sie atmete tief aus. Ihre Augen öffneten sich wieder und sie fasste Mut. Schritt für Schritt ging sie weiter, Eneas folgend, bis sie unmittelbar hinter ihm stand. Vorsichtig drehte sie den Kopf und schaute zurück.
Anda und Xarina waren die nächsten, die ihr folgten, mit vor Schreck fast weißen Gesichtern. Doch auch sie zwangen sich vorwärts, immer einen Fuß vor den nächsten setzend. Dann folgte Hendran, die Hände leicht zur Seite gestreckt, als müsse er Balance halten.
Als Mela Lal sah, die als nächste an der Reihe war, wusste sie, dass etwas Schlimmes passieren würde. Sie wusste es einfach. Sie wollte schreien, ihre eine Warnung zurufen, aber ihre Stimme versagte.
Selbst auf diese Entfernung hin konnte sie sehen, wie Lals Füße zitterten, als sie den ersten Schritt wagte. Ein leiser Schrei der Erleichterung ertönte, als der Stein unter ihr erschien und sie festen Grund fand.
Orcard bildete den Abschluss, ihm war keine Unsicherheit oder Furcht anzumerken. Schon glaubte Mela, sich getäuscht zu haben, da aber ertönte ein lauter Schrei Lals, der ihr Herz fast zum Stillstand brachte: »Ich kann nicht mehr! Ihr Götter – errettet mich!«
Mela sah, wie Orcard von hinten versuchte sie zu beruhigen, aber Lals Schwanken nahm zu. Selbst auf diese Entfernung konnte sie das erkennen. Lal zog das hintere Bein nach vorne und stand für einen Augenblick auf nur einem Fuß. Dann zog sie das schwebende Bein nach vorne, allerdings zu sehr seitlich, so dass sie keinen der
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