Der Untergang der Götter - Die Verbotenen Wege (German Edition)
unsichtbaren Stufen traf.
Mela sah ihre Augen, erkannte den Schrecken und die Erkenntnis darin, dann kippte Lal nach vorne.
»Nein!«, schrie Eneas, der ebenfalls bemerkt hatte, was am Ende der Gruppe vor sich ging. »Orcard, du musst sie halten! Halte sie!«
Aber es war vergebens: Orcard griff nach ihr, bekam ihren Arm zu fassen, und wurde selber nach vorne gezogen. Er schrie und ruderte wild in der Luft, dann fiel er und prallte gegen die Stufe, auf der Lal eben noch gestanden hatte. Vor ihm hing Lal mitten im Nichts, nur Orcards Hand hielt sie noch.
Mela war außerstande, sich zu bewegen, sie hätte auch nichts tun können, denn zwischen ihr und Lal befanden sich noch Anda, Xarina und Hendran, die ebenfalls wie versteinert wirkten.
Entsetzt sah sie, wie Lals Hand langsam der Orcards entglitt. Stück für Stück. Orcard schrie und versuchte, sie mit seiner zweiten Hand zu greifen, aber er war selber in Gefahr abzurutschen, und so wollte es ihm einfach nicht gelingen. Hinter sich spürte sie Eneas und mit einem raschen Blick erkannte sie, dass seine Hände leuchteten und er offenbar versuchte, mit seinen magischen Fähigkeiten zu helfen.
Aber es war zu spät: Orcard konnte Lal nicht mehr halten und so stürzte sie in die Tiefe, begleitet von einem hohen Schrei, der sich langsam im Nichts verlor.
Ohnmächtig, etwas tun zu können, beobachtete Mela, wie Orcard an der Stufe hing und sich dann unter einer gewaltigen Anstrengung nach oben zog, wo er schwer atmend auf den Knien hocken blieb. Alle schrien und redeten durcheinander und die Zeit schien still zu stehen.
»Weiter! Wir müssen auf die andere Seite!«, kommandierte Eneas mit scheinbar unbeteiligter Stimme.
Mela drehte sich zu ihm und in diesem Augenblick hasste sie ihn für seine Härte und Kälte, aber fast zeitgleich begriff sie, dass er Recht hatte. Sie mussten weiter, oder die Gefahr bestand, dass es noch mehr Opfer geben würde.
»Weiter!«, schrie Eneas laut und es war, als würde ein Ruck durch die Gruppe gehen. Unter Flüchen setzten sich die anderen wieder in Bewegung, auch sie selber kämpfte sich weiter Schritt für Schritt, bis sie irgendwann die andere Seite erreichte, wo Eneas sie schweigend erwartete.
Für einen Moment hatte sie das Gefühl, dass er sie in die Arme nehmen würde, aber er blieb unbewegt stehen und starrte an ihr vorbei auf die anderen, die noch über dem Abgrund schwebten.
Mela fühlte sich zu Tode erschöpft und ließ sich zu Boden fallen; noch immer tönte ihr Lals Todesschrei in den Ohren und wollte nicht verklingen. Sie schüttelte sich, aber es half nichts. Dann aber waren endlich auch die übrigen wohlbehalten angekommen und fielen ihr gleich völlig erschöpft zu Boden.
Anda und Xarina weinten, Hendran hockte einfach nur da und schaute hinein in den Abgrund. Nur Orcard stand noch und wirkte stark wie immer. Doch Mela konnte sich vorstellen, wie es jetzt wohl in dem Wächter aussehen musste. Er hatte Lal gehalten, hatte ihr in die Augen geschaut, und doch war sie in die Tiefe gestürzt, ohne dass er es hatte verhindern können. Es musste für ihn die Hölle sein.
Ihr Blick fiel auf Eneas, der sich die verletzte Schulter hielt, als würde sie schmerzen. Sie schaute ihn an und erwartete, dass er irgendetwas sagen würde. Irgendetwas, das sie alle trösten konnte.
Und als hätte er ihre Gedanken erraten, trat er auf die Gruppe zu und schaute sich um.
»Wir können nichts mehr für sie tun. Die Verbotenen Wege sind gefährlich, dass wusste jeder von uns.«
»Ist das alles, was du zu sagen hast?«, rief Hendran, der inzwischen wieder aufgestanden war. »Du hast uns hierher geführt, zu dieser entsetzlichen Brücke!« Seine Augen blitzten voller Wut. »Es ist deine Schuld, dass sie tot ist!«
»Niemand hat euch gezwungen, mir zu folgen«, entgegnete Eneas kühl. »Es nützt keinem etwas, wenn wir jetzt über das Schicksal Lals hadern.«
»Aber du hättest sie retten können! Du bist doch so mächtig!«
Hendran wollte auf Eneas losgehen, doch er wurde von Orcard zurückgehalten, der ihm mit einer raschen Handbewegung Einhalt gebot.
»Lass es gut sein, Hendran!«, rief er ihm zu. »Wenn du trauern willst – trauere!«
Hendran blickte auch Orcard wütend an, zog sich dann aber zurück.
»Du solltest ihnen etwas Ruhe geben«, raunte Orcard Eneas zu. »Sie haben jemanden aus ihrer Mitte auf tragische Weise verloren – das müssen sie verarbeiten.«
»Man kann nicht hierher kommen und glauben, in Sicherheit zu
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