Der Untergang der Götter - Die Verbotenen Wege (German Edition)
und elendig zugrunde gehen.«
Eneas antwortete nicht. Ein Stich ging durch ihn hindurch. Es war ein durchschaubarer Versuch, ihn zu provozieren, aber trotzdem lag eine Wahrheit darin, der er nicht ausweichen konnte. Er musste an Mela denken, der er Sicherheit versprochen hatte. Und an Linan, die er zwar wiedergefunden hatte, mit der jedoch etwas geschehen war, das er nicht verstand.
»Sie ist eine Verbindung mit dem Drachen eingegangen«, sagte die Stimme, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
»Eine Verbindung?«
»Das Beryllyion ...«
In Eneas' Kopf blitzte etwas auf. Ja, das ergab einen Sinn. Als der Häscher den Drachen angegriffen hatte, schien sie dessen Schmerzen gefühlt zu haben. Und der Drache schien keine Gefahr für sie zu sein, ganz im Gegenteil.
»Du trägst Verantwortung für sie alle. Jetzt, da du es warst, der sie in die Verbotenen Wege geführt hat. Ich hatte dich davor gewarnt.«
Ja, dachte Eneas, das hatte er. Und in der Tat war es seine eigene Entscheidung gewesen. Aber was hatte er auch für eine Wahl gehabt, dort in Konduun. Hätte er sie dort zurück lassen sollen? Nein, das wäre ihr sicherer Tod gewesen, daher hatte er im Grunde überhaupt keine Wahl gehabt.
»Aber vielleicht kümmert es mich nicht mehr, was aus ihnen wird«, sagte er leise.
»Wir wissen beide, dass das eine Lüge ist, Eneas. Du schuldest ihnen zumindest, sie zurück in ihre Welt zu bringen. Dann kannst du tun, was du willst.«
Eneas wusste, dass das auf jeden Fall eine Lüge war. Denn wenn er erst einmal außerhalb der kresh kallaan, der Verbotenen Wege war, würde er wieder seine Rolle als Rachewerkzeug der Alten Götter spielen. Dann würde er keine Wahl mehr haben. Oder doch?
Konnte er sich nicht allen widersetzen, auch den Alten Göttern? Wenn er erst im Besitz des Beryllyions war, würde er über eine Macht verfügen, die nahezu grenzenlos war. Ja, das Beryllyion war der Schlüssel zu allem, auch zu seiner eigenen Freiheit.
Aber vielleicht machte er sich auch einfach nur etwas vor. Vielleicht war diese Freiheit, nach der er sich sehnte, etwas, das für ihn niemals in Frage kommen würde.
»Was muss ich tun?«, fragte er mit einer Stimme, die dunkler nicht sein konnte. Seine Augen funkelten in einer Schwärze, die vollkommen war und die Tod und Vernichtung versprach. Für alle.
***
Linan beobachtete, wie sich der Wächter und Mela um Eneas kümmerten. Sie hatten ihn von dem toten Häscher weggezogen und seinen Kopf auf eine Weste gelegt, aber mehr hatten auch sie nicht tun können.
Sie spürte die Verzweiflung Melas, die ihm keine Sekunde von der Seite wich, als könnte er sonst einfach sterben. Linan hätte ihr gerne geholfen, aber auch sie hatte erkannt, dass die Verletzung von Eneas nicht äußerlicher Art war. Vielleicht hätte eine Heilerin helfen können. Vielleicht.
Sie hatte sich daher zu dem Drachen zurückgezogen, saß neben ihm und spürte in seiner Nähe die beruhigende Verbindung, die ihr Kraft und Zuversicht gab.
Sie wusste, dass er beim Angriff des Häschers schwer verletzt worden war. Diese Peitsche, mit der er ihn getroffen hatte, musste eine ungeheure Macht verborgen haben, denn wie anders hätte es möglich sein können, dass sie eine solche Wirkung auf ihn gehabt hatte.
Sie selber hatte einen Teil dieser Schmerzen miterlebt, wenn auch nur in geringem Maße. Aber schon das hatte sie an den Rand des Zusammenbruchs gebracht, wie viel schlimmer war es also für ihn gewesen.
Dennoch hatte er sich erstaunlich rasch erholt und zeigte kaum mehr Nachwirkungen des Angriffs, worüber sie sehr erleichtert war. Denn auch wenn er ein Drache war, so fühlte sie sich doch verantwortlich für seine Zukunft.
Plötzlich vernahm sie in ihrem Kopf ein Wispern; eine Stimme, die ihr etwas zuzuflüstern schien. Sie erstarrte und horchte. War es der Drache? Sie schaute zu ihm, doch sein Gesicht war auf die anderen gerichtet und strahlte unterdrückte Feindseligkeit aus.
Nein, er schien es nicht zu sein, aber sie war sich ganz sicher, dass sie etwas gehört hatte. Und da die übrigen sich völlig normal verhielten, schien nur sie es zu hören.
Linan konzentrierte sich und wie von selbst glitten ihre Hände zu dem kleinen Amulett an ihrem Hals. Als sie es berührten, wurde die Stimme klarer. Mit pochendem Herzen hörte sie zu.
Hilf mir! Hilf mir!
Sie wusste sofort, wessen Stimme das war und unauffällig schaute sie in seine Richtung.
Du musst mich heilen!
»Aber wie soll ich das?«,
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