Der Untergang der Götter - Die Verbotenen Wege (German Edition)
sich, welch ungeheurer Schmerz den Drachen heimgesucht hatte, als die Peitsche des Unbekannten ihn traf. Neue rötliche Striemen waren auf den ansonsten makellos blauen Schuppen des Drachens hinzugekommen, und jetzt begriff Linan auch, woher die anderen stammten. Er musste schon früher auf diese Weise angegriffen worden sein.
Der Unbekannte! Linans Kopf fuhr abrupt herum und ihre Augen fanden ihn am Boden liegend. Und neben ihm lag der andere Fremde, der zuerst aufgetaucht war. Mühsam richtete sie sich auf und nahm aus den Augenwinkeln wahr, wie auch der Drache wieder hochkam. Langsam machte sie einen Schritt nach vorne, fühlte wieder Sicherheit in den Beinen und ging weiter, bis sie neben den beiden Männern stand.
Der Angreifer war offensichtlich tot, sein Kopf fehlte. Der andere, der sich selber Eneas genannt hatte, rührte sich nicht, daher wusste sie nicht, ob er ebenfalls tot war. Doch sie erinnerte sich dunkel, dass er gegen den Toten gekämpft hatte. Es lag alles wie unter einem Schleier, denn durch den Angriff gegen den Drachen war sie von dessen Schmerz mitbetroffen gewesen.
Sie fühlte, dass etwas sie mit Eneas verband, auch wenn die Erinnerung daran verloren war. Sie betrachtete sein Gesicht und für einen kurzen Moment blitzte etwas in ihr auf, aber dann war es auch schon wieder vergangen. Sie kniete sich nieder und wischte ihm die Haare aus dem Gesicht. Seine Brust hob und senkte sich schwach, er lebte also noch.
Sie freute sich darüber, auch wenn sie nicht vergessen hatte, was er von ihr hatte haben wollen. Doch er hatte den Angreifer des Drachens besiegt und damit stand sie in seiner Schuld.
Sie stand auf und ging zu der jungen Frau und dem Mann, der sie begleitet hatte. Beide waren von dem Angreifer niedergeschlagen worden, und beide waren ihr ebenfalls unbekannt. Sie versuchte in ihrer Erinnerung nach etwas Vertrautem zu suchen, nach irgendeinem Hinweis, hatte jedoch keinen Erfolg.
Plötzlich rührte sich die Frau und schlug die Augen auf. Beide schauten sich einen Augenblick lang an, dann trat Linan wieder zurück. Unter einem Stöhnen richtete sich die Frau auf und schaute sich verwirrt um.
»Was ist passiert?«, brachte sie mühsam hervor und ließ den Kopf sinken. »Mein Kopf ...«
»Du bist niedergeschlagen worden«, entgegnete Linan. »Du und dein Begleiter.« Sie deutete auf den Wächter, der noch immer bewusstlos am Boden lag.
»Mein Name ist Mela. Und das ist Orcard, der oberste Wächter Borams.«
Dann schreckte sie förmlich zusammen. »Der Häscher ...«
»Der, der euch angegriffen hat, ist tot.« Linan deutete zur Seite, wo er am Boden lag.
Mela folgte ihrem Blick und schreckte erneut zusammen: »Eneas! Was ist mit ihm?«
Sie quälte sich hoch und schwankte, konnte sich aber auf den Beinen halten. Unter einem erneuten Stöhnen eilte sie zu Eneas.
»Was ist mit ihm? Ist er auch ... tot?«
Angst sprach aus ihrer Stimme, doch Linan trat neben sie und beruhigte sie: »Er hat gegen den Häscher, wie du ihn nennst, gekämpft und ihn besiegt. Er lebt.«
Mela ging in die Knie und hielt ihr Gesicht direkt vor das von Eneas. Sie spürte den leichten Hauch, der seine Lippen verließ, und atmete beruhigt auf. Er war tatsächlich noch am Leben.
Ihr Blick fiel auf den Häscher. Sein Anblick, der fehlende Kopf, war furchtbar, aber dennoch verspürte sie ein ungeheures Gefühl der Erleichterung, denn diese Gefahr war nun endgültig gebannt.
Ihre Aufmerksamkeit wandte sich wieder Eneas zu: »Wir müssen ihm helfen, müssen ihn irgendwie wieder zu Bewusstsein bringen!«
Doch Linan zuckte nur mit den Schultern. »Ich kann ihm nicht helfen, ich bin keine Heilerin. Und seine Verletzung scheint nicht von der Art zu sein, die man einfach so heilen kann.«
Mela schaute hoch zu ihr, und dann erst fiel ihr wieder ein, was sie vor dem Angriff gesehen hatte:
»Da war ein Drache!« Ihre Stimme zitterte leicht.
Linan drehte sich um und nickte bestätigend, als sie das Ungetüm ein gutes Stück weit entfernt stehen sah. Er schaute in ihre Richtung und wieder spürte sie die Verbindung, die zwischen ihnen existierte. Sie schüttelte sich, als die Erinnerung an den furchtbaren Schmerz zurückkehrte, den sie beim Angriff des Häschers auf den Drachen gespürt hatte.
Melas Blick wanderte zwischen dem Drachen und Linan hin und her.
»Wer bist du?«, fragte sie vorsichtig. »Eneas – er schien dich zu kennen.«
Linans Gesicht wurde hart. »Ich kann mich an kaum etwas erinnern. Ich weiß nicht,
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