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Der Untergang der Hölle (German Edition)

Der Untergang der Hölle (German Edition)

Titel: Der Untergang der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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neues Leben aufgekeimt war. Palmfarne mit ihren sich sträubenden Blätterbüscheln, kräftigen Stämmen und an Immergrün erinnernden Zapfen waren im Überfluss vorhanden; allesamt strahlend weiß. Der Urwald erweckte den Eindruck eines Negativs oder mit Effektfilter aufgenommenen Infrarotfotos. Er verbreitete eine fast winterliche Stimmung, als ob jedes Blatt, jeder Halm und jede Rebe, jeder Stiel, Zweig und Stamm mit Schnee bedeckt wären, obwohl die Luft vor Hitze dunstig gloste.
    Pollen wirbelten durch die umgebende Luft wie Staubflocken. Nein, es waren keine Pollen, wie ihr jetzt klar wurde – und dann war sie schlagartig wach und begriff. Es musste sich um Sporen des Grundstoffs handeln.
    Ein ganzer Wald, der aus Grundstoff gewachsen war, dehnte sich nach Norden, Süden, Osten und Westen bis ans Ende ihres Blickfelds aus.
    »Vee«, meldete sich die Stimme wieder zu Wort. Sie war nicht in ihrem Kopf, obwohl sie ihren Besitzer nicht sehen konnte. Die Stimme eines Mannes. Armdran.
    »Ich bin hier«, krächzte sie, als wären es die ersten Worte aus einer neuen Kehle. Sie hatte ihre gesamte Wiederherstellung verschlafen, als könnte die Erschöpfung ihres früheren Körpers auf diese Neuprägung übertragen worden sein.
    Für eine Sekunde stand sie nur da und schwankte, bis sie langsam ihr Gleichgewicht zurückfand.
    »Gott sei Dank«, hörte sie Armdran sagen. »Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, ob etwas schiefgegangen ist. Oder ob du wieder ohne Erinnerungen aufwachst. Wie gefällt es dir hier oben?«
    »Es ist schön. Zum Fürchten schön«, erwiderte sie. Sie sah hinter sich auf die Erde. Sie war uneben und felsig, eine verwüstete Schuttlandschaft aus dickem, weißem Moos, das den Stein zum größten Teil überwucherte und ein fruchtbares Bett zu formen schien, in dem die andere Vegetation ihre Wurzeln schlagen konnte. »Wo bist du?«, wollte sie wissen.
    »Hier. Rechts von dir.«
    Vee wandte sich etwas weiter um und sah die Klinge ihres Messers funkeln, wo Armdran sie aufwärts durch das Loch gestoßen und so gedreht hatte, dass das Licht in ihr reflektierte. »Okay. Ich kann dich sehen.«
    »Wie zur Hölle willst du eigentlich wieder runterkommen?«
    »Wir denken uns was aus. Im Moment möchte ich lieber eine kleine Erkundungstour machen.«
    »Ich bitte dich, Vee, verlauf dich jetzt nicht auch noch.«
    »Falls ich mich verlaufe, werde ich früher oder später den Rückweg finden. Wir haben Zeit, oder etwa nicht?«
    »Ja, aber du bist da oben, während ich in diesem Loch festsitze.«
    »Du bekommst noch deine Chance, da bin ich sicher. Das werden wir alle.« Sie ging davon, zunächst mit tastenden Schritten, als sie die Hebungen und Senkungen der aufgetürmten Betonplatten überquerte. Harte Oberflächen und gezackte Kanten wurden von dem schwammartigen Moos abgepolstert, obwohl an manchen Stellen noch Reißzähne aus zerschmettertem Beton und Reste von Stützpfeilern aufragten.
    Sie watete durch Farne, wand sich zwischen herabhängenden Zweigen und baumelnden Schlingen von Kletterpflanzen hindurch. Etwas wie Spanisches Moos hing in zerfetzten Schleiern von den Ästen herab wie Massen von Spinnweben. Falls Armdran jetzt nach ihr gerufen hätte, wäre sie bereits zu weit entfernt gewesen, um ihn zu hören.
    Der Baumbestand dünnte aus und sie gelangte an den Rand einer riesigen Lichtung, einem Meer aus schulterhohem Elefantengras, das in einer schwachen, warmen Brise wogte. Doch auf der anderen Seite standen die Bäume wieder dicht an dicht. Das Laub schränkte ihre Sicht ein wie am Erdboden haftende Wolken. Bedeckte dieser Wald nur das Dach des Konstrukts oder auch das umgebende tiefe Bett aus verfestigter Lava? Hatte er die ganze Schöpfung für sich in Anspruch genommen und transformiert?
    Vee bemerkte bald, dass nicht alles, was um sie herum durch die Luft schwirrte, Grundstoff war. Sie musste ein merkwürdiges geflügeltes Insekt verscheuchen, das zu rasch die Flucht antrat, als dass sie einen genaueren Blick darauf hätte werfen können. Danach zog eine Bewegung zwischen den Bäumen auf der anderen Seite der Lichtung ihre Aufmerksamkeit auf sich. Sie hielt den Atem an, als ob das leiseste Geräusch sie verraten könnte, als der lange Hals einer Kreatur zum Vorschein kam, die dem Brontosaurus aus Sachbüchern ihrer Kindheit verdächtig ähnelte. Aus den wackelnden, biegsamen Hörnern auf dem gesichtslosen Kopf des Wesens schloss Vee jedoch, dass es sich nicht um einen Dinosaurier, sondern eher um

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