Der Untergang der Hölle (German Edition)
etwas wie eine gigantische Albinoschnecke handeln musste.
Sie hielt die Kreatur für harmlos, zog sich aber nichtsdestotrotz wieder in den Dschungel zurück und schlug eine andere Richtung ein.
Sie wanderte immer tiefer in den Wald hinein, orientierungslos, doch frei von Angst. Was sie stattdessen beschäftigte, war das innere Tauziehen ihrer Wünsche. Einerseits hatte sie das dringende Bedürfnis, diese Entdeckung so schnell wie möglich mit den Bewohnern von Freetown zu teilen. Andererseits verspürte sie den ebenso dringlichen Wunsch, diese Offenbarung so lange wie möglich vor dem Rest des Konstrukts geheim zu halten. Dies war eine eigene Welt, mit Leben, das sich seit geraumer Zeit entwickelte und aufblühte. Sie hatte hier keinen Platz. Wie konnte sie nur glauben, dass sie jemals ihnen gehören würde?
Müde vom wahllosen Erkunden beschloss sie, sich wieder zum Ausgangspunkt ihrer kleinen Expedition durchzuschlagen. Ihre nackten Füße waren wund, die Haut von der Hitze gerötet und sie fühlte sich schuldig, Armdran so lange allein gelassen zu haben. Sie hatte nichts dabei, womit sie ihren Weg markieren konnte, etwa ihr Messer. Selbst wenn es anders gewesen wäre, hätte sie es nicht gewagt, auch nur die Rinde eines einzigen Baumes dieser jungfräulichen Welt zu entweihen.
Während ihrer Bemühungen, zu Armdran zurückzufinden, stieß sie auf die Frucht.
Sie nahm sie schon aus weiter Entfernung durch das Gespinst aus Zweigen, Farnwedeln und Schlingpflanzen wahr, da sie sich in einem leuchtenden Rot gegen das umgebende Weiß deutlich abzeichnete. Sie fühlte sich davon angezogen wie von einem Leuchtfeuer.
Vee näherte sich dem Fuß des im Übrigen eher gewöhnlich wirkenden Baums, an dem die Frucht hing. Sie konnte an den Zweigen keine weiteren erkennen. Gab es überhaupt andere Früchte in diesem Urwald? Wenn nicht, wie hatte sie es dann geschafft, auf dieses eine Exemplar zu stoßen – es sei denn, es hatte sie irgendwie zu sich gerufen, sie auf eine Weise angelockt, die ihr nicht bewusst war?
Die Frucht, die sie vor sich sah, war groß – so groß wie eine Faust –, doch unregelmäßig geformt. Vee starrte sie an und runzelte die Stirn. Waren diese hervorgehobenen, verschnörkelten Markierungen an ihrer Schale etwa … Adern?
Dann erkannte sie, dass die Frucht die Form eines blutroten, menschlichen Herzens aufwies.
Die herzförmige Frucht hing genau über ihrem Kopf. Sie könnte sie pflücken, wenn sie wollte. Sie streckte die Hand aus, um sie zumindest zu berühren und zu prüfen, ob ihr Kern hart oder eher weich und matschig war. Ob diese Adern wirklich pulsierten, so wie es den Anschein hatte.
Doch bevor ihre Fingerspitzen sie berührten, zog Vee die Hand zurück. Langsam senkte sie den Arm wieder.
In diesem Moment dachte die Kriegerin Vee, dass sie gerne dafür sorgen wollte, dass niemand diese Frucht jemals berührte, selbst wenn sie bis in alle Ewigkeit mit der Waffe in der Hand dort stehen bleiben und sie vor dem Zugriff jeder Seele, jedes Dämons und jedes Engels im Hades verteidigen müsste.
Ob das tatsächlich möglich oder notwendig war, wusste sie nicht – aber eins wusste sie mit absoluter Gewissheit.
Sie selbst würde die Frucht nicht anrühren. Nein … diesmal nicht.
DIE VERLORENE FAMILIE
(Eine neue Erzählung aus der Welt von
Der Untergang der Hölle )
Nahezu jede DVD- oder Blu-ray-Veröffentlichung hält in der Bonusabteilung einige deleted scenes bereit – Szenen, die es nicht in die abschließende Schnittfassung des Regisseurs geschafft haben. Genau so hat Jeffrey Thomas einen kleinen Nebenquest zu Der Untergang der Hölle geschrieben, der im eigentlichen Roman fehlt, sich aber nahtlos in die Gesamthandlung einfügt. Für die deutsche Erstveröffentlichung haben wir diese ›verlorene Geschichte‹ aus den Archiven gerettet.
B itte passen Sie auf, dass Sie mich nicht verlieren, Madam«, sagte Jay, während er auf dem Rücken der Frau herumrutschte. »Wenn ich aus dieser Höhe runterfalle, könnte ich sonst in tausend Einzelteile zerbrechen.«
Vee hielt beim Klettern inne, um einen Blick in den Schacht zu werfen, den sie gerade hinaufkletterte. Sie waren durch eine Zugangsluke auf Ebene 119 in den senkrechten Versorgungsschacht gelangt, doch er reichte wesentlich weiter in die Tiefe. Vielleicht bis ganz in den Keller?
»Selbst, wenn du nicht zerbrechen würdest – entschuldige, Jay, aber ich würde auf keinen Fall dort unten nach dir suchen.«
»Verstanden«,
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