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Der Untergang der Hölle (German Edition)

Der Untergang der Hölle (German Edition)

Titel: Der Untergang der Hölle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey Thomas
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war, wenn sie gemeinsam in den Keller gingen, was auch immer das bringen würde. Das Radio war nicht ausgegangen und bald spielte es ebenfalls John Lennons Imagine .
    Als er fertig war, ging er mit dem Hund spazieren. Die Dämmerung würde bald hereinbrechen und er wollte, dass sie vor der Dunkelheit wieder im Haus waren. Als ob diese Jugendlichen sich in radioaktive Zombies auf der Jagd nach einem Leckerbissen verwandelten.
    Er hörte das vertraute Johlen schon von Weitem. Doch nicht nur das: Als er mit dem Hund die Nähe der Umzäunung des Einkaufsdorfes erreichte – nur wenige Autos standen, vermutlich verwaist, auf dem Parkplatz –, sah er, dass Dutzende riesige weiße Penisse an den Ziegelmauern des Wohngebäudes, der Geschäfte und sogar an den Schaufenstern der Läden prangten. Und alle erigierten Glieder wiesen in dieselbe Richtung. Geradewegs zur Hölle.
    Es war schon merkwürdig, wie man sich an so gut wie alles gewöhnen konnte, sogar an den Schmerz, wenn der eigene dahingeraffte Körper sich neu formierte. Doch während die Reihe der Wartenden sich langsam voranschob, begann das Jammern der Verdammten weniger geisterhaft zu klingen und verebbte zu einem Winseln und Stöhnen, das eher existenzieller Verzweiflung als körperlichen Qualen zu entspringen schien.
    Adam konnte nicht erkennen, was am Ende der schwerfälligen Schlange auf ihn wartete, aber er drehte sich von Zeit zu Zeit um und schaute zurück, um festzustellen, wie weit er sich bereits von dem Portal, durch das er gekommen war, entfernt hatte. Er war überrascht, dass er erst eine vergleichsweise geringe Distanz zurückgelegt hatte. Andererseits war der erweiterte Eingang gewaltig, so groß wie das sprichwörtliche Fußballfeld.
    Eine Art Metallgestell ließ die Öffnung weiter aufklaffen, was am ehesten einem gigantischen, übertrieben barock gestalteten Wundspreizer aus dem industriellen Zeitalter glich, der einen klaffenden Einschnitt formte. Seine Haken schienen sich in nichts als die leere Luft zu graben. Das Portal erinnerte tatsächlich an eine riesige Wunde, denn leuchtend rotes Blut strömte und wirbelte an den Haken und Armen des Gestells entlang, als ob eine unsichtbare Membran Körperflüssigkeit verlor. Ein eingerissener Schleier zwischen den Welten der Lebenden und der Untoten. Nur dass auf der anderen Seite möglicherweise niemand mehr am Leben war.
    Grelles weißes Licht füllte den Rachen des Portals aus. Die Massen frischer Seelen, die es ausspuckte, waren bloße Silhouetten, die verstümmelt und grotesk durch seinen glühenden Dunstschleier torkelten.
    Als er sich noch näher am Gestell aufgehalten hatte, war Adam eine Stelle an der linken Seite des Gebildes aufgefallen, an der zwei Verstrebungen im rechten Winkel aufeinandertrafen. Seit einiger Zeit war dort Blut hinabgetröpfelt, nunmehr zu einem widerlichen Brei geronnen, über die weiterhin eine rote Masse rann und im kargen Erdboden versickerte. Komischerweise fühlte sich Adam an etwas aus seiner Kindheit erinnert. Er war damals zwar schon auf die Junior High gegangen, aber immer noch genauso introvertiert und trübselig wie seit dem ersten Schuljahr.
    Durch das Fenster des Biologieraums starrte er oft auf eine Reflexion des Schulgebäudes. Regenwasser, das durch eine unfreiwillige Umleitung an der Fensterecke hinunterlief, hatte zur Bildung eines breiten grünen Flecks aus Moos oder Flechten an den roten Ziegelsteinen geführt – sein Biologielehrer hätte ihm auf Nachfrage sicher verraten können, worum es sich genau handelte. Adam verlor sich gerne in der Vorstellung, dass in dieser senkrechten grünen Linie in unendlich geringem Maßstab Leben gedieh und sich vielleicht sogar weiterentwickelte. In den Tagträumen aus Kindertagen war er sogar selbst ein mikroskopisch kleines Wesen, das in diesem winzigen grünen Paradies lebte; was sich jenseits der Grenzen dieses Reichs abspielte, hatte keine Bedeutung für ihn.
    Grüne Linie. Rote Linie. Wie eine Grenze zwischen Leben und Tod.
    Eine Grenze, die überschritten werden musste.
    Adam und sein Hund warteten im Keller und lauschten den teilweise hysterischen Berichten im Radio. Doch mehr und mehr Sender verschwanden in einem Meer aus Rauschen, bis er sich entschloss, stattdessen CDs abzuspielen (allerdings nicht John Lennons Imagine ). Sie verließen ihren Schutzraum häufig und gingen nach oben, damit er die Toilette benutzen oder etwas aus dem Kühlschrank holen konnte. Er spähte durch die Vorhänge in die Nacht

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