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Der Untergang der islamischen Welt

Der Untergang der islamischen Welt

Titel: Der Untergang der islamischen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hamed Abdel-Samad
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Zusammenhang erkennen zwischen dem Selbstbewusstsein, der Tolerierung von persönlichen Freiheiten und dem kulturellen Boom, den der Islam im Mittelalter genoss. Oder man kann im Umkehrschluss das Spüren der eigenen Stärke als Grund für diese Gelassenheit deuten. Die Dünnhäutigkeit der Muslime von heute und die Beharrung auf den religiösen Symbolen sind deshalb ein Ausdruck der Schwäche, das Ergebnis eines unzeitgemäßen Hierarchieverständnisses im Islam und führen weite Teile der islamischen Welt in eine zunehmende Isolation und verstärken ihr Gefühl der Erniedrigung. Zwischen dem Westen und der islamischen Welt findet derzeit quasi überhaupt keine gesunde Kommunikation statt.
    Neben der herrschenden Terrorgefahr führen die sich im Westen seit Jahren ausbreitende Gleichgültigkeit und das chronische Beleidigtsein der Muslime zu einem Klima des Misstrauens und der Angst auf beiden Seiten. Ein Klima der Verkrampftheit und Dünnhäutigkeit hat dazu geführt, dass man Probleme nicht mehr benennen kann und sie lieber unter den Teppich kehrt. Aber dieses Klima ist auch dafür verantwortlich, dass eine Kopftuchträgerin automatisch auf eine Stufe mit Integrationsverweigerern und Terroristen gestellt wird.
    Der tragische Mord an der ägyptischen Apothekerin Marwa Al-Sherbini im Dresdener Gerichtssaal Anfang Juli 2009 beschäftigte über Monate die Öffentlichkeit in Ägypten und in vielen islamischen Ländern. Sie stellten sich nicht nur die Frage, warum die deutsche Regierung auf diesen Fall zu spät reagiert hatte, sondern auch, warum keiner der Anwesenden im Saal zu Hilfe geeilt war, um der zierlichen einunddreißigjährigen Frau zu helfen, als Alex W. achtzehnmal auf sie einstach. Und warum schoss der deutsche Polizeibeamte auf Marwas Ehemann statt auf den Täter? Lag es daran, dass der Ehemann arabisch aussah und somit dem Polizisten als der wahrscheinliche Täter erschien? Die Antwort, die muslimische Intellektuelle wie der ägyptische Bestsellerautor Alaa Al-Aswani auf diese Fragen anbieten: Rassismus und Islamfeindlichkeit der Deutschen.
    Meine gastfreundlichen ägyptischen Landsleute wissen nicht, dass Zivilcourage in Deutschland eine Mangelware ist. Selbst wenn das Opfer eine Deutsche gewesen wäre, wäre vermutlich keiner der Anwesenden im Saal aufgesprungen, um sie zu retten. Viele Deutsche haben sich daran gewöhnt, dass Vater Staat sich um alles kümmert. In Sachen Sicherheit kann sich niemand hierzulande auf seine Mitmenschen verlassen.
    Dass der Polizist nicht auf den Täter, sondern den Ehemann des Opfers feuerte, war vermutlich auch nur ein Missverständnis, aber es geht insgesamt in diesem Fall um viel mehr als nur um ein Missverständnis. Es geht um eine lange Geschichte von gegenseitiger Angst und Misstrauen zwischen dem Westen und der islamischen Welt. Aber wer hat Schuld daran, dass dieses Klima entstanden ist? Sind es wirklich nur die westlichen Medien und Populisten wie Thilo Sarrazin, die angeblich antimuslimische Ressentiments schüren, oder tragen die muslimischen Fanatiker, die Terroranschläge verüben oder dazu aufrufen oder sie billigen, nicht ebenfalls Schuld daran? Denn auch wenn diese Medienbilder und Aussagen manchmal selektiert oder überzeichnet sind, sind sie nicht erfunden, sondern beschreiben Aspekte und Missstände des zeitgenössischen Islam, die von vielen Moslems nicht wahrgenommen werden. Man ärgert sich lieber über die »Anderen« als über sich selbst und die selbstverschuldete Misere.
    Gerade in den islamischen Ländern ist man mit der wirtschaftlichen und politischen Lage höchst unzufrieden und unfähig, die Probleme aus eigener Kraft zu lösen. Sowohl die Machthaber als auch die frustrierte Bevölkerung suchen deshalb nach Sündenböcken für das eigene Elend. Die Massen gehen auf die Straße und demonstrieren fluchend »Unser Blut ist teuer«, »Tod Deutschland« und »Boykottiert deutsche Produkte«, angeblich um Solidarität mit der getöteten Ägypterin zu zeigen. Dabei handelt es sich lediglich um einen Volkszorn als Volksmedizin mit Genehmigung der Sicherheitskräfte, und das in Ländern, in denen Demonstrationen eigentlich verboten sind. Dieser energieraubende Kampf gegen Windmühlen lenkt von Reformdebatten ab und hilft den Machthabern, ihre Macht zu festigen.
    Keiner dieser wütenden Demonstranten erinnerte sich daran, dass auch viele deutsche Touristen in Ägypten durch mehrere Terroranschläge ums Leben kamen, ohne dass die Deutschen danach

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