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Der Untergang der islamischen Welt

Der Untergang der islamischen Welt

Titel: Der Untergang der islamischen Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hamed Abdel-Samad
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diese Einzelpersonen von Muslimen eher als Ausnahmen und daher als Argument gegen den Westen und nicht als zentrale Vertreter angesehen.

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Die Wut-Industrie
oder: Ich bin Muslim,
also bin ich beleidigt
    W ir Muslime scheinen unter der chronischen Krankheit des Beleidigtseins ernsthaft zu leiden. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass wir der Welt zeigen, wie gekränkt und gedemütigt wir uns fühlen. Als wären die internen Probleme in den islamischen Ländern nicht Anlass genug für Ärger und Frustration, durchstöbern wir täglich die Zeitungen nach Nachrichten über eine unterdrückte muslimische Minderheit in China, Thailand oder Europa, um noch eine Bestätigung dafür zu finden, dass eine Weltverschwörung gegen den Islam im Gange sei.
    Und wenn wir nichts finden, suchen wir weiter nach einem Karikaturisten, der eine Bombe im Turban des Propheten Mohamed versteckte, oder nach einem Papst, der den Islam als eine unvernünftige Religion bezeichnete, oder eben nach einem Fußballverein, der in seiner Hymne behauptet, dass der Prophet vom Fußball keine Ahnung hatte. Kurz gesagt, wir finden immer etwas, womit wir das uns liebgewordene Beleidigtsein ausleben können. Wir bewerfen westliche Botschaften mit Molotow-Cocktails, um den Vorwurf des Terrorismus gegen unseren Propheten zurückzuweisen, und reagieren unvernünftig auf die Papstrede, um zu beweisen, dass er unrecht hatte.
    Eine britische Lehrerin wird im Sudan verhaftet, weil sie ihren Teddybären »Mohamed« nannte. Muslime fühlen sich von der Hymne des Fußballvereins Schalke 04 gekränkt, in der es heißt: »Mohamed war ein Prophet, der vom Fussball nichts versteht.« Die Macher der New Yorker Zeichentrick-Comedy-Serie »South Park« erhalten Morddrohungen, weil sie, um das Gesicht des Propheten nicht zeigen zu müssen, ihn in einem Teddy-Kostüm versteckt haben. In der gleichen Serie wurden Moses, Jesus und Buddha mehrfach durch den satirischen Kakao gezogen, ohne dass aus jüdischen, christlichen oder buddhistischen Reihen Proteste oder Drohungen kamen. Muslime werden sogar von der eigenen, jahrhundertealten Literatur beleidigt. So stehen die »Geschichten aus 1001 Nacht«, die große Sammlung persischer Erzählkunst, die heute weltweit zur Weltliteratur gerechnet wird, in Saudi-Arabien auf dem Index, weil sie angeblich unmoralische und erotische Passagen enthalten. Aus dem gleichen Grund reichten im Frühjahr 2010 eine Gruppe ägyptischer Anwälte, die sich »Anwälte ohne Grenzen« nennt, eine Anklage gegen Funktionäre des Kultusministeriums in Kairo ein, die den Auftrag für eine neue Auflage der »Geschichten aus 1001 Nacht« erteilten. Aber die Beleidigung scheint am köstlichsten erst dann zu schmecken, wenn sie aus dem Westen kommt.
    Wenn man die Schlagzeilen einer arabischen Zeitung liest oder die Nachrichten in einem arabischen Satellitensender sieht, wird man den Eindruck nicht los, dass Muslime glauben, der Westen sei eine einzige, gleichgeschaltete Masse, die nichts anderes im Sinne habe, als die Muslime tagaus, tagein zu ärgern. Aus der unguten Mischung von Omnipotenzphantasien und dem Gefühl permanenter Erniedrigung entsteht eine explosive Paranoia mit fatalen Folgen, denn nichts ist gefährlicher als ein Schwächling mit Allmachtsvisionen.
    Was Muslime nicht wahrhaben wollen, ist die Tatsache, dass sie für den Westen beinahe bedeutungslos sind. Die westlichen Staaten gehen einfach ihren Tagesgeschäften nach und kümmern sich nicht immer darum, ob sie dabei die Muslime, die Brasilianer oder die Marsmännchen verletzen. Nur die Angst vor dem Terrorismus oder vor wirtschaftlichen Konsequenzen erweckt manchmal den Anschein von westlicher Rücksicht und Respekt gegenüber anderen Kulturen. Ausgerechnet gegenüber Diktaturen wie Saudi-Arabien und dem Iran zeigt sich dieser Respekt sogar ziemlich überproportional.
    In der Blütezeit des Islam zwischen dem achten und dem elften Jahrhundert war das Verfassen von häretischen Texten an der Tagesordnung. Dass Alkohol getrunken wurde und Frauen das Kopftuch nicht trugen, war keine Seltenheit. Es gab damals allein in Bagdad mehr Kneipen als heute in allen islamischen Ländern zusammen. Muslime fühlten sich so selbstsicher, dass antiislamische Polemiken von Christen und Juden toleriert wurden. Der Kalif von Bagdad organisierte sogar regelmäßig einen Polemik-Wettbewerb, in dem Muslime, Juden und Christen in poetischen Polemiken die Religionen der anderen kritisierten. Man könnte deshalb einen

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