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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Baumbestand fehlte die durchgängige Abschirmung der dunstverhangenen Sonne. Allerdings litten wir nicht so unter der Schwüle.
    Drei Frauen standen auf einem Stein. (Der erste Stein, den ich auf dem Planeten sah, ein Basaltblock – also mußte auch Vulkanismus vorkommen auf Flora. ) Die drei bildeten die Mitte einer Kette von Frauen und Männern, die uns allesamt mit würdevoller Miene entgegenblickten. Die mittlere Frau hatte ein ehemals weißes, langes, fallendes Gewand an, schon bei den alten Griechen ein Zeichen von Vornehmheit. Über den Brustbereich des Kleidungsstückes zog sich eine Bahn kleiner Löcher, herausgelöste Stockflecken.
    Bruno machte eine gekonnte Verbeugung, wir schlossen uns an, und er sagte: »Bruno, Kommandant der FOTRANS.« Er wandte sich uns zu: »Meine Gefährten.«
    Die Frau im weißen Hemd neigte nur angedeutet den Kopf. »Lene«, sagte sie mit rauher Stimme, »Kommodor«. Dann machte sie eine weitausholende Armbewegung und sagte nicht ohne Stolz »Volk«. Aha, dachte ich, damit das auch klar ist!
    Nach den hypothetischen Regeln waren wir verraten und verkauft. »Wenn man auf wenig entwickelte Zivilisationen trifft, sich nie und niemals mit der gesamten Mannschaft…« Dabei hatte noch kein Mensch eine solche Zivilisation getroffen. Natürlich war es ein Fehler, mit der vollständigen Schiffsbesatzung hier aufzukreuzen. Aber ich muß sagen, nicht einen Augenblick hegte ich irgendwelche Befürchtungen, nicht einen Augenblick hatte ich unter diesen Leuten Angst. Ich kam mir vor wie auf einer Bühne, und die anderen empfand ich in einer ähnlichen Rolle… Lene deutete auf uns. »Alle?« fragte sie.
    Bruno zögerte einen Augenblick. Offenbar überdachte auch er die Lage. »Ja«, sagte er dann.
    »Willkomm«, sprach Lene, und dann folgten eine Reihe unverständlicher Worte, bei denen sie mehrmals beide Arme und das Antlitz gegen den Himmel hob.
    »Wir grüßen euch von den Menschen der Erde«, rief Bruno, als Lene
ihre ursprüngliche Haltung eingenommen hatte.
»Erde«, echote sie, »Mensch.«
    Sie hatte eine wesentlich deutlichere Aussprache als Mary, aber unverkennbar die nämliche Verschleifung aus Teilen des Inters, wahrscheinlich vermischt mit Rudimenten der Muttersprache verschiedener Völker. Lene stieg vom Sockel, die beiden neben ihr gingen im Abstand von wenigen Schritten hinter ihr, und dann bedeutete man uns, wir sollten uns anschließen. Carlos mußte wohl oder übel aus dem Rover, unserem letzten Bollwerk sozusagen.
    Wir wandelten gemessenen Schrittes in eine der beiden Seitenstraßen hinein, an zwei Gehöften vorbei, dann wandte sich die Prozession nach rechts in eine sauber frei gehaltene Waldschneise, die wiederum in eine Lichtung mündete. Rechter Hand, auf einem Hügel – nicht hoch, aber immerhin die erste Erhebung, die wir auf Flora trafen –, stand ein Bauwerk, das sich in Stil und Größe deutlich von den anderen abhob. Es vermittelte einen sehr gepflegten Eindruck.
    Linker Hand tat sich der kurze Strandstreifen eines Gewässers auf. Bei längerem Hinsehen nahm ich die schwache Strömung wahr. Ein Fluß also. Flöße und eine Art Boot lagen am Ufer.
    Es schien mir, sie waren seßhaft geworden. Schon allein ein solches Gebäude – das durchaus von handwerklichem Können zeugte – baut man nicht für wenige Jahre.
    In dieses Haus führte uns Lene. Es war ohne Zweifel ein Sakralbau, ein Tempel vielleicht, und bestand aus einem großen Raum – leer bis auf einen Tisch dem Eingang gegenüber. Dafür gab es keinen halben Quadratmeter Wandfläche, an dem sich nicht irgendein Plunder befunden hätte: verfallene Skaphander wie Ritterrüstungen, Feuerlöscher, blinde Spiegel, ein elektrischer Fleischwolf, ein verhältnismäßig gut erhaltener Federboden eines Bettes und – was soll ich noch aufzählen!
    Die Kommodor schritt würdevoll auf den Tisch zu, der aus vier in den Boden gerammten Pfählen bestand, mit einer Keramikarbeitsplatte darauf – auch eine Reliquie…
    Auf der Tischplatte aber lag als einziges ein Buch in Normgröße, geschützt durch eine teilweise bereits blind gewordene Computerabdeckhaube aus organischem Glas.
    Ich sah meine Gefährten direkt an, wie ihre Aufmerksamkeit sprunghaft wuchs angesichts dieses Buches. Mir erging es natürlich nicht anders.
    Lene stellte sich vor den Tisch, hob Arme und Kopf deckenwärts und verfiel in eine Art Meditation. Ihre zwei Begleiterinnen standen stoisch. Wir auch.
    Dann stieß Lene, ohne ihre Haltung zu

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