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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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mich überzeugen, das Wildbret war koscher genug zubereitet, um es mit Appetit verzehren zu können, auch aus unserer Sicht. Bis auf die Raupen natürlich, aber kosten wenigstens wollte ich sie.
    Ich hielt Ausschau nach dem wunderlichen Alten. Dann sah ich ihn abseits bei einer Gruppe von Männern. Sie schienen kränklich, manche waren verkrüppelt. Der Alte saß apathisch da, starrte vor sich hin. Langsam pirschte ich mich in seine Nähe. Mit einem Blick auf Lisa bemerkte ich, daß sie mein Tun, wohl auch aus Interesse an dem Alten, beobachtete.
    In der Nähe der unattraktiven Männergruppe loderte ein Feuer. Übrigens verbrannten sie eine einzige Sorte Holz mit einem hohen Harzan teil. Ich konnte mich nicht erinnern, auf unserem Marsch derartiges gesehen zu haben. Also hatten sie auch dieses Problem gelöst.
    An diesem Feuer, auf dem eine Art dicke Wurst in einem Kessel koch
te – bis ich die grüne Haut dieser »Wurst« aus der Brühe lugen sah: Stük
ke von Krakenfangarmen –, machte ich mich zu schaffen. Dann sprach
ich den Alten an. »Hallo!« sagte ich.
»Hallo!« antwortete er uninteressiert, schaute kaum auf.
»Du sprichst gut«, setzte ich fort.
Er zuckte mit den Schultern. »Wie ich kann eben.«
»Woher…?«
    »Woher…« Er winkte ab. »Wer weiß.« Nach wie vor schien er von einem Dialog nichts zu halten.
    Er kam mir wirklich nicht ganz normal vor. Leider bin ich nicht bewandert in Psychiatrie. Aber was er bisher von sich gegeben hatte, klang vernünftig, auch jetzt, da er keine Lust zum Sprechen hatte. »Wie alt bist du?« fragte ich.
    »Ist nicht geschrieben«, antwortete er. »Erst seit dreißig Sommern
wird…«
»Ihr habt eine eigene Schrift?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, deine.«
»Sprechen noch mehr eurer Leute…?«
    Langsam wurde er interessierter. »Eine Frau in Flugsumpf.«
    »Wo ist das?« Das war eine blöde Frage von mir. Wie sollte er diese beantworten.
    Er zeigte dann auch unbestimmt in die Richtung, aus der wir gekom
men waren.
»Wie viele seid ihr – alle?« fragte ich.
Er schien in seine Apathie zurückzufallen.
»Wie viele Menschen von euch leben…«, bohrte ich.
    »Menschen«, sagte er, »Erde.« Er sah mich an. »Bist du Erde?« »Ja.« »Erde…«, er sah verklärt irgendwohin in die Weite.

    Zwischen uns rutschte eine junge, energische und ziemlich kräftig gebaute Frau. Sie lachte mich an, nahm mich bei der Hand und zog mich auf meinen Platz.
    Das Festessen begann. Alle Einwohner des Ortes – wir vermuteten mittlerweile der Hauptstadt – nahmen daran teil, und aus ihrem Gebaren ließ sich schließen, solche Feste fanden nicht allzu häufig statt. Und was noch auffiel, es gab Verschiedenes zum Trinken, Säfte aus jungen Pflanzentrieben oder Früchten, ein wasserklares, wohlschmeckendes Getränk, direkt – wie ich durch Kauderwelsch und Gestik erfuhr – durch Anzapfen bestimmter Bäume gewonnen, es gab eine Art Gurke, fast ausschließlich mit einer süßlichen Flüssigkeit gefüllt. Kein Wunder, bei dem Wasserreichtum in diesen Breiten. Aber ein alkoholhaltiges Getränk gab es nicht. Alle Naturvölker der Erde hatten einst Berauschendes zubereitet. War sein Fehlen hier Absicht? Ich konnte mir nicht denken, daß sich hiesige Säfte und Früchte nicht vergären ließen…
    Dafür hatten sie eine andere, schlimmere Unsitte ihrer Vorfahren bewahrt: Ich dachte, ich sehe nicht richtig, als da und dort und bald verteilt über den gesamten Platz nach dem Essen blaue Wolken aufstiegen. Man rauchte, paffte nicht nur, so wie Indianer die Friedenspfeife, sondern inhalierte in vollen Zügen! Weiblein wie Männlein. Jetzt konnte ich mir auch die vielfach zu beobachtenden schlechten und verfärbten Zähne erklären…
    Ich aß meinen Echsenspieß auf, ein wirklich vorzügliches Mahl, das wir uns für unseren eigenen Speisezettel merken wollten, und dann ging ich der Sache mit dem Rauchen nach.
    Die da rauchten, hatten sich ziemlich große Beutel umgehängt, sie schmokten entweder aus hölzernen Pfeifen oder eine Art Zigarre, letztere traf ich in den gehobenen Kreisen.
    Bereitwillig ließ man mich schnuppern, es war keineswegs irgendein Knaster und kein Rohtabak, sondern ein fermentierter und unterschiedlich aromatisierter echter Tabak, und ich bin mir sicher, dieses Kraut stammte nicht von Flora, sondern es war einst von jenen eingeführt worden und hatte die Jahre überdauert.
    Über einen längeren Zeitraum wurde unsere Aufmerksamkeit durch eine Art organisierten Chorgesang

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