Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:
gefangen. Eine Gruppe stand ungezwungen und sang. Es klang einzigartig, als flössen charakteristische Volksweisen verschiedener irdischer Völker in den mehrstimmig vorgetragenen Liedern ineinander. Auch hier hörten wir Textworte heraus, doch es blieb die Musik, die uns faszinierte. Einfache, selbstgefertigte Instrumente begleiteten die Sänger, die mit reichlich Beifall bedacht wurden.
    Wenn sie wohl auch nicht so oft Feste feierten, Erfahrungen damit hatten sie. Der Regen war der Schlußpunkt und – einkalkuliert. Kessel und Geschirr blieben im Freien, wurden so gestellt, daß das Wasser abfließen konnte. Und so wurden Verunreinigungen, Reste hinweggewaschen. Einige der Leute warteten den Guß im Freien ab, spülten sich solcherart selbst rein.
    Wir verbrachten den Regen – aufgeteilt zwei zu zwei – in den Familien von Führungsleuten, die ihre Stellung allerdings nur ihrer Leistung für die Gesellschaft wegen innehatten. Zum Beispiel erschlug die Dame, deren Gäste Friedrun und ich waren, unter Einsatz ihres Lebens einen Kraken, der einen jungen Mann zu verspeisen trachtete. Sie rettete dem das Leben. Diese Tat, so glaubte ich herauszuhören, sei moralisch um so höher zu werten, als sie dies für einen Mann gemacht habe…
    Sich über derartige Abstrakta zu verständigen fiel nicht leicht. Mit der Zeit aber lernten wir dazu und gewöhnten uns an ihre verkürzende Ausdrucksweise.
    Natürlich trieb uns Neugierde, ein Haus von innen zu sehen, eine Familie kennenzulernen. Und wir staunten, wie leicht verständlich sich dies für uns darbot.
    Die Einrichtung des Hauses entsprach etwa einer des frühen Mittelalters, so wie man es aus der irdischen Geschichte kannte und wie man sich das so vorstellte, natürlich pauschal. Detailwissen ging uns ab. Gestampfter Boden, offene Feuerstellen – unsere Indikatoren, die uns überhaupt zu diesem Dorf geführt hatten –, kaum Geschirr, hölzernes Gerät, grobbehauene Möbel ließen uns unsere Einschätzung treffen. Dazwischen aber doch Dinge, die Zweckbestimmung dem Eigentümer sicher nicht in jedem Falle bekannt, die absolute Anachronismen darstellten: Zum Beispiel entpuppte sich etwas Gläsernes, Plastenes nach näherer und von den Eigentümern mißtrauisch beobachteter Untersuchung als ein elektrisches Handmixgerät. An anderer Stelle stand eine kristallene Schale. (Erstaunlich, was die von der TELESALT alles an Bord hatten.) Wir sahen kaum Gewebe, und wenn, dann gröbstes aus Rindenfasern. Auch Felle hatten sie nicht – außer diesen mardergroßen hatten wir keine Pelztiere gesehen.
    Nun, ein Kleidungsproblem der Witterung wegen stellte sich nicht. Nächtliche Abkühlung unter zwanzig Grad hatten wir nie erlebt. Wir schlossen, daß auch jahreszeitliche Schwankungen gering sein mußten – aus der Achslage des Planeten und eben aus dem Verhältnis der Leute zu Kleidung.
    Die Hierarchie in der Familie stellte sich ebenfalls einfach dar. Respektsperson war die älteste Frau, im konkreten Fall eine uralte Muhme ohne Zähne im Mund, doch von erstaunlicher geistiger Frische. Die organisierende Funktion schien sie bereits auf ihre Tochter übertragen zu haben, eine verhärmt aussehende Frau von vielleicht – aus unserer Sicht – fünfundvierzig Jahren. Die ehrenvolle Heldin aber war bereits die nächste Generation. Es gehörten noch drei Frauen zur Familie, deren Zuordnung schwerfiel, wenigstens zwei waren keine leiblichen Nachkommen der Muhme.
    Es zählten natürlich ebenfalls Männer zur Sippe, anwesend drei – auch quer durch die Generationen. Einer befand sich nicht am Ort. Sie wurden eigentlich nicht untergeordnet behandelt, nur, zu sagen hatten sie wohl nichts, und weil sie das wußten, taten sie es auch nicht. Sie hatten weder allein die schlechteren Arbeiten zu verrichten, noch schienen sie sonst benachteiligt. – Also nicht etwa so, wie man sich ihre Stellung im legendären Amazonenstaat vorstellte. Auf Flora herrschte nach unserer Ansicht eine Art demokratisches Matriarchat.
    Eine Zuordnung eines Mannes zu einer Frau konnten wir nicht feststellen.
    Zu dem Zeitpunkt, zu dem wir als Gäste in dem Haus weilten, also am ersten Tag unseres Aufenthaltes, hatten wir noch keine Ahnung, wie sie die Auswahl zur Zeugung der Nachkommenschaft trafen. Mir schien das gesellschaftliche Leben durchaus organisiert, da würde wohl einer der wichtigsten Fakten nicht dem Zufall überlassen sein, wobei sicher – oder gab es Normen – die Zufallsrate eine Rolle spielte. Es

Weitere Kostenlose Bücher