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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Kreischen. Diese Geräusche wurden mit einemmal unerträglich, als ich die Tür aufstieß und ins verhältnismäßig grelle Licht trat.
    Dieses Licht drang in die Backhalle durch den leeren Giebel und ein Stück fehlendes Dach. Die Trümmer lagen auf den Maschinen, über das Ganze breitete sich eine dichte, gelbe Staubschicht. Ich schrie, was los sei. Niemand antwortete. Im Dunst sah ich Gestalten hasten.
    Jemand in meiner Nähe brüllte mir zu, ich solle mich nach draußen scheren.
    Benommen, aber keineswegs panisch suchte ich mir über Steine und Trümmer hinweg einen Weg. Die Tür, die ich sonst immer benutzte, ließ sich nicht öffnen. Ich stieg weiter über Geröll, Stützen und Kabel, wirbelte Staub auf, konnte kaum sehen, es brannten mir Augen und Kehle. Dann überkletterte ich den entstandenen Wanddurchbruch. Über mir hingen, schwankend in den Bewehrungen, riesige Mauerbrocken. Da und dort krachte etwas in sich zusammen, stürzte etwas um, es rieselte und knackte. Ich trat ins Freie.
    Erst jetzt griff zeitlupenhaft langsam Entsetzen nach mir.
    Ich erreichte eine Gruppe von Frauen und brach zusammen.

    Man hatte bei einer simplen Baugrunduntersuchungsbohrung eine Methankaverne – nur zwölf Meter unter der Oberfläche – angetroffen. Dummerweise hatte man über Bohr- und Baustelle des ständigen täglichen lästigen Regens wegen eine Folienhalle gespannt.
    Das ausströmende Gas riß Stahlteile auseinander, vermischte sich mit der Luft zu Hochexplosiblem. Es genügte ein winziger Funke, der sich fand…
    Siebenundvierzig Tote, darunter die Hälfte meiner ehemaligen Klasse und der aufsichtführende Lehrer. Sie zogen gerade an der Halle vorbei aufs Feld, als es passierte…
    Beinahe fünfhundert Meter im Umkreis hatte sich die Stadt in ein Trümmermeer verwandelt. Die leichtgebaute Schule, die zum Zeitpunkt des Unglücks leer war, wurde hinweggefegt.
    Der Menschen hatte sich eine allgemeine Verzweiflung bemächtigt. Es wurden Stimmen laut, man solle alles hinschmeißen und zurückfliegen. Der Rat tagte permanent. Es kamen Beruhigungslosungen heraus. Mit denen, die am lautesten protestierten, wurden Einzelgespräche geführt. Sämtliche Kräfte, auch die aus den Außenstationen und die Forscher, wurden für die Aufräumungsarbeiten eingesetzt.
    Nur einer der Trupps wurde verstärkt: eine Gruppe, die weitere solcher Kavernen suchen sollte… Heute ist mir nicht klar, ob aus Sicherheitsgründen oder der so plötzlich entdeckten Energie wegen.
    Aber man fand keine solche Kaverne mehr, zumindest zu dieser Zeit
und in dieser Gegend nicht.
Erstaunlich schnell hatte man aufgeräumt.
    Nach drei Tagen lief die Brotlinie wieder, und ich saß an meinem Platz. Der Giebel aber klaffte offen, lediglich das Dach hatte man mit einem Unterzug und zusätzlichem Pfeiler abgefangen und mit Folie geschlossen.
    Der Wiederaufbau von Ziel ging längst nicht so schnell vonstatten wie seinerzeit nach dem Orkan. Es fehlte an Material. Zunehmend wurde auf Einheimisches zurückgegriffen, auf Baumstämme für die Wände und eine Art Bambus für die Dächer.
    Und da es natürlich keine Spezialmaschinen dafür gab, mußte verstärkt manuell gearbeitet werden. Mehr denn je wurde jede Hand gebraucht. Für die oberen Klassen fiel der Unterricht aus, die Kleinen erhielten eine Notbetreuung; denn auch ein großer Teil der Lehrer zog mit hinaus. Als ob die Tiere unsere zunehmende Ohnmacht begriffen: Sie wurden dreister und scheinbar mehr. Unfälle häuften sich, es gab auch vereinzelt Tote…
    Einmal kam Gus nach Hause, als ich gerade anwesend war. Es entstand sehr rasch eine heftige Kontroverse: Ich warf ihm – als dem Bürgermeister, als dem, der alles, was geschah, maßgeblich mit zu verantworten hatte – vor, wie sträflich und unsagbar schädlich sich der Rat betrage, wenn er sich derart negativ gegenüber der Schule und dem Unterricht verhalte. Anstatt dafür zu sorgen, unter allen Umständen den Lehrplan zu vermitteln, tue man alles, um den Unterricht zu boykottieren.
    Gus antwortete heftig, nicht der Rat, die Umstände täten das. Oder ob ich die Explosion vorausgesehen hätte?
    Doch, doch, er versuchte auch, mich zu beruhigen. Es komme alles wieder ins Lot. Nur müsse man wohl erst dafür sorgen, daß jedermann ein Dach über dem Kopf und ausreichend zu Essen habe. Die Zeiten seien vorbei, da man in die Telesalt gehen und einfach abfassen konnte. Je mehr mit zupackten mit ganzer Kraft, desto schneller zögen die normalen Verhältnisse

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