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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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wieder ein. Allerdings Nörgler und Nihilisten brauche man in einer derart angespannten Phase nicht, und natürlich sei an ein Aufgeben nicht zu denken. Und außerdem, das fügte er verhalten hinzu, sei die Telesalt in keiner Weise startklar oder, was ich dächte, wo habe man wohl bislang die Energie hergenommen? Ja, wenn es gelinge, solche Gaslager kontrolliert anzuzapfen…
    Die Leichen waren noch nicht alle geborgen, da sah der Mann bereits das Zeichen, das die schreckliche Explosion gesetzt hatte.
    Unter diesen Umständen schwieg ich, schützte Müdigkeit vor und legte mich zu Bett. Aber ich war viel zu aufgewühlt, um zu schlafen. Und dann faßte ich einen Entschluß: Ich würde Verbündete suchen und gegen diese Mißentwicklung vorgehen. Schließlich mußten die Eltern der Kinder, die wochen- und monatelang keinen Unterricht hatten, besorgter sein als ich.

    Ich weiß nicht, ob ich mich selbst zu sehr isoliert oder in eine falsche Vorstellung hineingesteigert hatte: Ich fand keine Verbündeten, keine tatsächlichen Verbündeten, muß ich sagen. Ich traf auf Einsichten, klagte mit diesem oder jenem über die Zustände. Alle, mit denen ich sprach, bedauerten die Situation. Aber ich fand nicht einen, der ehrlichen Herzens gewillt gewesen wäre, etwas gegen diese Misere zu tun. Die Einsicht, daß, nach vorn orientiert, erst wieder eine Basis geschaffen werden mußte, war wesentlich stärker als meine scheinbare Kleingläubigkeit. »… das Zupacken schadet den Bengels nun mal nicht! Du, Fanny, als Gefährtin des Bürgermeisters…!«
    Und natürlich hatte es sich herumgesprochen, daß ich einige Wochen psychisch behandelt worden war… Muß ich mehr dazu sagen? Ich glaube, selbst in mehreren Jahrhunderten werden sich die Menschen in solchen Verhaltensweisen nicht geändert haben. Wenn dies, was ich hier schreibe, dann jemand liest, er wird mich verstehen, wird auch eine Ahnung davon bekommen, wie es mir in diesen Tagen und Wochen erging, wird begreifen, warum ich langsam – anfangs wehrte ich mich dagegen – resignierte, wie ich mich in eine Art abschirmendes Gehäuse zurückzog, wie ich aufgab… Ich stierte auf meine Brote, und im Rhythmus der gedämpft von draußen in meine Kammer hineindröhnenden Fabrik formte sich in meinem Hirn der Satz: Mir soll es egal sein, mir soll es…
    Und jedesmal dann, wenn ich den Steuerraum betrat oder wenn nach einem Stillstand die Maschinen wieder anliefen mit ihrem dumpfen Do, do, do, do, dooooo, do, formte sich in mir der Satz. Und es war gar, als stimme er mich zunehmend heiter…
    Die Gleichförmigkeit meiner Tätigkeit machte mich nicht stupide. Ich qualifizierte mich in ein mir anfänglich fremdes Milieu hinein, ja, entwikkelte sogar eine Art Ehrgeiz. Und nach gar nicht so langer Zeit war ich in der Lage, kleine Störungen selbst zu beheben, und immer weniger oft mußte ich über den Diensthabenden Hilfe anfordern. Ich beschaffte mir Dokumentationen und studierte die Anlage förmlich, und da ich dies ausschließlich tat, hatte ich sie bald begriffen. Mit meinen zunehmenden Kenntnissen fand ich auch steigende Anerkennung bei den Monteuren und Spezialisten und damit zusätzliche Hilfe.
    Gus traf ich immer seltener. Da wir uns in dem einen Raum, der uns zur Verfügung stand, durch meine Schichtarbeit und seine Unregelmä ßigkeiten im Tagesablauf störten, uns auch sonst kaum mehr etwas zu sagen hatten – einmal rügte er mich heftig ob meiner Aktivität gegen die operativen Festlegungen zum Bildungswesen, die ihm natürlich nicht verborgen geblieben war –, fanden wir es beide praktisch, daß er sein Lager im Rathaus aufschlug.
    Zur Schule hatte ich keine Verbindung, und ich suchte sie auch nicht. Ab und an traf ich jemanden, Schüler und Lehrer, und natürlich hörte ich von den Zuständen. Eine Änderung zeichnete sich auf absehbare Zeit nicht ab. Es stand schon fest, daß der Unterricht der älteren Schüler, die längst in den Arbeitsprozeß integriert waren, nicht mehr auf normalem Wege nachgeholt werden konnte. Man sprach von Sonderqualifikation und Abendschule – später…

    Und dann kam die Bombe! Sicher gab es vorher Gerüchte, die aber nicht zu mir drangen. Und wahrscheinlich ging vieles zunächst in den allgemeinen Aktivitäten nach der Gasexplosion unter. Es waren ständig Bautrupps unterwegs, da wurde weggerissen, transportiert, neu gebaut. Daher fiel wahrscheinlich den wenigsten auf, daß um ein Laboratoriumsgebäude, das am Rande der Siedlung stand und

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