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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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zwar für das Gärverhalten und damit die Alkoholproduktion äußerst wichtig, aber er interessierte mich als Lehrer nicht. Auch die Tatsache, daß Laboratoriumsarbeiter gebraucht wurden, tröstete mich nicht über meine Freudlosigkeit hinweg.

    Der Aufbau von Seestadt ging langsam voran. Es fehlte an Fertigteilen und anderen Materialien. Bergstadt würde vorübergehend, wie es verlautete, nicht weiter entwickelt werden, hätte aber etliche aus Ziel aufzunehmen. Man sagte mir, selbst war ich nicht dort, daß nach diesem halben Jahr Baustopp fast wieder von vorn begonnen werden müsse. So hatten Flora, Fauna, Regen und der hohe Sauerstoffgehalt der Luft gesorgt, daß die Spuren der Menschlein von der so mächtigen Natur dieses Planeten verwischt wurden.
    Die Abteilung, in der ich nunmehr meine Analysen machte, geriet unter permanente Kritik, sie war zuständig für die Treibstofferzeugung, und die gewünschten Erfolge blieben aus. Es verstärkte sich der Leistungsdruck, und die Arbeitsatmosphäre wurde zunehmend unerträglich. Dann passierte mir der Irrtum – eine simple Verwechslung von Proben. Die Ergebnisse führten zu Schlußfolgerungen, die eine falsche Düngung der betreffenden Felder nach sich zogen – mit nennenswerten Ertragseinbußen.
    Ich wurde in meiner Tätigkeit in eine niedrigere Verantwortungsstufe gesetzt mit noch stupideren Aufgaben. Weil mich das natürlich wurmte, ich mich an dem Fehlverhalten überhaupt nicht allein für schuldig hielt, fühlte ich mich derart frustriert, daß ein erneuter Nervenzusammenbruch die Folge war. Nach einem tagelangen Klinikaufenthalt nahm ich meinen Arbeitsplatz wieder ein, und obwohl die Kollegen alles taten, damit ich mich unter ihnen wohl fühlte, spürte ich – oder glaubte ich zu spüren, mißtrauisch wie ich geworden war – die Vorbehalte.
    Drei Tage später packte ich mir ein paar Sachen zusammen und verließ im Morgengrauen die Siedlung.
    Vier Tage angestrengten Marsches unter Todesängsten benötigte ich bis zur Telesalt, auf gangbaren Wegen zwar, aber stets in einem Wust von Geräuschen und der Furcht, man verfolge mich. Mehr Angst als vor einem Disziplinarverfahren hatte ich vor der Wiederaufnahme meiner Tätigkeit.
    Natürlich zermarterte ich mir mein Gewissen, warf mir unkollegiales, dummes, egoistisches Verhalten vor. In einer Notsituation die Kameraden im Stich zu lassen ist wohl mit das schlimmste Vergehen unserer Tage. Im Grunde fand ich überhaupt keine Rechtfertigung für mein Verhalten, und mehrmals blieb ich gänzlich unschlüssig und total verunsichert stehen, mit dem Drang umzukehren.
    Doch dann schoß mir die Idee mit der Chronik ein. Ich fand dieses Vorhaben zumindest ebenso wichtig wie jedes andere, ja, das redete ich mir ein, wichtiger noch als manches andere. Man mußte dieses Desaster der Nachwelt mitteilen, schon um auszuschließen, daß es sich je wiederholte.
    Ja, ich hielt die Unternehmung Neuerde für total gescheitert, war mir natürlich mehr unterbewußt klar, daß diese Erkenntnis im wesentlichen subjektiv über meinen Erlebnisbereich gesteuert wurde; denn schließlich hätte sonst eine Vielzahl anderer ebenso denken müssen wie ich, und wenn jeder alles hingeschmissen hätte…
    Dennoch, ich verbiß mich in den Gedanken an die Chronik, und der trieb mich vorwärts.
    Es muß ein Wunder gewesen sein, das mich vor den Fangarmen der Hydren, den Zähnen der Raubaffen und den Krallen der Gürtelbären und Fluglöwen gerettet hat; denn ich schlief nachts unter meiner Folie sogar ein für mehrere Stunden und wäre eine äußerst leichte Beute gewesen.
    Am Vormittag des vierten Tages erreichte ich Ziel. Welch ein Anblick! Schon der angrenzende Wald zeigte Spuren der Verstrahlung: Blätter hingen welk und verfärbt an den Ästen, die Gräser und Stauden waren braun, vereinzelt lagen Tierkadaver umher.
    Wenn in meinem ursprünglichen Plan der Aufenthalt in Ziel eine Rolle gespielt hatte, gab ich den jetzt schlagartig auf.
    Mich ergriff eine panische Todesangst, als mir richtig bewußt wurde, wo ich mich befand, und ich daran dachte, wie lange ich mich wohl schon in der gefährdeten Zone aufhielt, ohne daß die äußeren Zeichen darauf hinwiesen.
    Ich rannte zurück, ein, zwei Kilometer. Und dann begann der anstrengendste Teil meiner Wanderung: Ich versuchte Ziel zu umgehen und so zur Telesalt zu gelangen.
    Nun, daß es mir gelungen ist, beweisen diese Zeilen. Über das Wie aber bin ich nicht mehr aussagefähig. Ich weiß nur noch, daß

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