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Der Untergang der Telestadt

Der Untergang der Telestadt

Titel: Der Untergang der Telestadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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jemand würde sich tageweit bis zur Telesalt durchschlagen, ist man nicht gekommen… Warum eigentlich nicht? Man wird hoffen, ich tauche von allein wieder auf. Schließlich wird man mich nach Tagen aufgeben. Niemand überlebt auf diesem Planeten, getrennt von den Seinen… Wir werden sehen! Langsam nahm eine Art Trotz von mir Besitz.
    Niemand treibt mich. Noch habe ich in der Telesalt Hinterland! Ich werde mich langsam auf mein neues Leben einstellen. O ja – allein komme ich zurecht. Schließlich war ich es im Grunde die letzten Jahre auch.
    Ich werde allein leben, aber euch alle werde ich ständig um mich haben, ich werde euch verfolgen, ihr spielt die Hauptrolle in meinem Leben, das ab jetzt Chronik heißt!

    Vor drei Tagen habe ich angefangen zu schreiben… Ich habe versucht, unser Leben auf Neuerde nach der Landung zu schildern. In diesen drei Tagen bin ich bis zur Gegenwart, zu meiner schrecklichen Gegenwart gelangt.
    Gerade habe ich mir das Geschriebene noch einmal durchgelesen. Ja, von den Fakten her ist es unser Leben – aus meiner Sicht, versteht sich. Doch wahrscheinlich eigne ich mich doch nicht für eine solche Aufgabe; nein, auch wenn es so ist, ich höre nicht wieder auf, nur, das Zu-PapierGebrachte ist so dürftig, so emotionslos. Es spiegelt nicht im geringsten wider, was sich wirklich an Qualen, Zweifeln, Martern in uns ereignet hat in diesen drei Jahren, es sagt nichts aus über das Elend, das sich über dieses armselige Häufchen Menschen ausschüttete. Aber ich bin natürlich überhaupt nicht über den Zweifel hinweg: Warum sollte sich dieses Elend ausgerechnet mir offenbaren? Warum empfindet es kein anderer so stark, daß er handelt? Im Grunde zwingt die Menschen niemand, so zu sein, wie sie sind. Warum bin ausgerechnet ich so aufmüpfig? Weil man mir in einer Weise mitgespielt, mich verkannt, aus den Schuldienst entfernt hat? Und aus dieser Lage heraus soll ich etwas Objektives aufschreiben?
    Nun, Fanny, es ist nicht aller Tage Abend. Hast du dir nicht gesagt, du willst mit Ruhe an deinen neuen Status herangehen? Im Augenblick, Fanny, bist du nämlich leergeschrieben. Ab jetzt bleibt dir nur dein eigener Erlebnisbereich, und der ist dürftig genug. Wenn du also wirklich zu einer Chronik kommen willst, eine, deren Lektüre sich einigermaßen für einen Nachfahren lohnt, dann wirst du die Lebensäußerungen der Deinen wohl studieren, registrieren müssen. Du wirst Gefährdungen aufnehmen, wirst beobachten, wirst ständig unterwegs sein zwischen Echsen und Hydren, und du wirst dein Subjekt nicht ins Spiel bringen können, weil du nur aufschreiben wirst, was du siehst. Du wirst die Beweggründe anderer im Laufe der Zeit nicht mehr erkennen, du wirst dich nicht mehr in das Entscheidungsfeld des Gus oder seiner Gefährten hineinversetzen können, du wirst sehen und aufschreiben, solange du ein Schreibgerät halten oder bedienen kannst. Das wird objektiv werden müssen, Fanny! Am Anfang wirst du mischen, deine Ansichten mit deinen Beobachtungen… Dein späterer Leser wird aber sehr bald herausfinden, wo er zu unterscheiden hat… So wird es sein!
    Dazwischen werde ich für meinen Lebensunterhalt, fürs Überleben sorgen müssen…
    Obwohl mir bei diesen Überlegungen bewußt wird, daß ich mir eine schier unlösbare Aufgabe gestellt habe, fühle ich mich wohler. Es war, als hätte ich mich erst in diesem Augenblick von den Meinen abgenabelt. Nur eine Furcht war neu entstanden: die Furcht davor, ich könne die Aufgabe nicht packen, könne scheitern. Eine Hydra – und aus der Traum von der Chronik…
    Ich könnte zurück und unter ihnen die Chronik schreiben… Ich wäre im Kontakt mit ihnen, hätte Beweggründe, Entscheidungsvorfelder, Stimmungen… Ich gebe zu, daß mich dieser Gedanke lange beschäftigte.
    Der Kampf ums Dasein entfiele, die Angst vor äußeren Gefahren… Und würde mir eine derartige Aufgabe nicht helfen, Widrigkeiten, wie ich sie bislang kennengelernt hatte, besser zu ertragen?
    Ausschlag für meinen Entschluß, nicht zurückzukehren, gab, daß die Frustration, das Bemitleidetwerden, der Ärger über die nach meiner Meinung fortdauernde Fehlentwicklung, das Herumgestoßenwerden, wie ich meinen Einsatz empfand, und das Damoklesschwert Psychiatrie anhalten würden. Sie behinderten mich ganz sicher beim Schreiben, ich könnte es nicht im verborgenen tun – und das müßte ich wohl, weil ich mit meiner Meinung allein stand. Und vielleicht das wesentlichste: Was würde mit dem

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